Keine Verordnung von oben

BERLIN. (dpa) Die Bundesregierung plant kurzfristig keine Ausweitung des in der Bauwirtschaft geltenden Entsendegesetzes auf andere Branchen. Wie Regierungssprecher am Montag mitteilten, geht es zuvor darum, die Schwarzarbeit wirksamer zu bekämpfen.

Der Druck in der Öffentlichkeit wächst, das Entsendegesetz auszuweiten. Die Bundesregierung will erst noch gründlich prüfen und Anfang Mai entscheiden. Tariflich vereinbarte Mindestlöhne sollen demnach künftig in weiteren Branchen gesetzlich garantiert werden. Nach dem Vorbild der Baubranche soll so versucht werden, den Zustrom von billigen Arbeitskräften vor allem aus Osteuropa, auch Lohndumping genannt, in weiteren Tarifbereichen einen Riegel vorzuschieben. Nach dem gestrigen Stand der lebhaften politischen Diskussion ist jedoch klar, dass ein ,,staatlich beschlossener" Mindestlohn politisch keine Chance hätte. Vielmehr zeichnet sich ein Konsens mit folgendem Inhalt ab: Löhne und Gehälter, die Tarifparteien zuvor in Tarifrunden regulär ausgehandelt haben, werden dann auf Basis des Entsendegesetzes in einer bestimmten Branche für alle dort Beschäftigten verbindlich festgeschrieben. Die Lohnhöhe würde somit auch für nichttarifgebundene Firmen und für ausländische Arbeitnehmer gelten. Sprecher von Bundesregierung und Wirtschaftsministerium räumten gestern allerdings ein, dass es noch keinen Entwurf für die Ausweitung des so genannten Entsendegesetzes gebe. Das Bundeskabinett wird sich aber morgen ausführlich mit diesem Thema befassen. Dann legt eine ,,Task Force", eine Arbeitsgruppe, die nach dem Job-Gipfel im Kanzleramt im März eingesetzt worden war, den ersten Erfahrungsbericht vor. Ende April oder Anfang Mai soll diese ,,Task Force" schließlich ein Gesamtlösungskonzept präsentieren. Im Kern geht es dabei um die Bekämpfung des Missbrauchs der europäischen Dienstleistungsfreiheit. Dazu Sabine Maass, Sprecherin von Arbeitsminister Wolfgang Clement: ,,Wir befinden uns im Augenblick noch in der Prüfung, was getan werden kann, um die illegale Beschäftigung einzudämmen." Vize-Regierungssprecher Thomas Steg ergänzt: ,,Das Ziel ist eindeutig, Lohn- und Sozialdumping müssen verhindert werden." Allerdings dürfe die gesamte Diskussion nicht auf die Frage des Entsendegesetzes verengt werden. Im Angesicht der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai erhöhten am Montag noch einmal alle Parteien das Marschtempo in dieser Frage. Während SPD und Grüne sich nachdrücklich hinter den eingeschlagenen Regierungskurs stellten und ausdrücklich begrüßten, das ,,die Union Bewegung zeigt", erklärte CDU-Chefin Angela Merkel, ihre Partei habe sich inzwischen eindeutig festgelegt, dass man einen ausschließlich ,,politisch diktierten Lohn" nicht wolle. Über einen Mindestlohn in bestimmten Branchen auf Grundlage des Entsendegesetzes lasse man aber mit sich reden. Die CDU wolle allerdings entsprechende Vorschläge der Regierung abwarten und erst dann endgültig entscheiden. Zugleich kritisierte Merkel, dass die Regierung im Zuge der Verhandlungen über die EU-Osterweiterung alle Warnungen mit Blick auf den Arbeitsmarkt mit linker Hand beiseite gewischt habe. CDU-Generalsekretär Volker Kauder forderte die Regierung zudem auf, rasch zu sagen, in welchen Branchen genau denn es Lohndumping gebe. Besonders schweres Geschütz gegen jedwede Form von Mindestlöhnen fuhr dagegen Dirk Niebel im Gespräch mit unserer Zeitung auf. Der designierte FDP-Generalsekretär scheute dabei auch nicht einen kräftigen Seitenhieb gegen Edmund Stoiber, der vor Tagen die neue Mindestlohn-Debatte mit losgetreten hatte. Der CSU-Chef argumentiere wie ein ,,in der Wolle schwarz gefärbter Sozialdemokrat". Durch Mindestlöhne würden in Wahrheit noch mehr Arbeitsplätze verloren gehen. Sie würden zu mehr Schattenwirtschaft führen und Arbeit noch stärker ins billigere Ausland verlagern. Niebel weiter: ,,Dann ist halt nicht mehr der polnische Fleischer im deutschen Schlachthof, sondern dann arbeitet der polnische Fleischer in Polen im Schlachthof, der womöglich einem deutschen Unternehmer gehört. Und durch moderne Kühl- und Transporttechnologie kommt das Fleisch dann genauso frisch auf unseren Tisch." Nicht Mindestlöhne und Entsendegesetz dürften die Antworten auf Billigarbeiter aus Osteuropa sein, sondern innovative Technologie hierzulande.

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