Keine Zeit zum Verschnaufen

Berlin · Nach dem Fernseh-Duell Merkel-Schulz gibt’s im Lager von Union und SPD nur Sieger. Und bei den kleinen Parteien Hader und Spott.



Berlin Der Wahlkampf kennt keine Gnade. Nach dem Fernseh-Duell reiste SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz Montagfrüh gleich nach Bayern zum Volksfest Gillamoos, wo traditionell die große Politik große Reden schwingt. Und die Kanzlerin empfing am Tag danach 30 Oberbürgermeister zum Diesel-Krisentreffen. Durchatmen, verschnaufen, Luft holen geht in diesen Zeiten nicht.

Er hätte gerne noch ein zweites Duell geführt. Das machte Schulz schon kurz nach dem Aufeinandertreffen mit der Kanzlerin am Sonntagabend im Pressenzentrum neben dem Studio deutlich. Dazu wird es aber nicht kommen. Merkel will nicht. Also wird der Wahlkampf weiter als Fern-Duell geführt werden.
Beim Gillamoos rief ein müde aussehender Schulz, die 90 Minuten hätten nicht gereicht, um Fragen zur Bildung, zur Rente oder zur Gerechtigkeit im Land zu beantworten. Für ihn sei aber deutlich geworden: "Es gibt jemanden, der will die Vergangenheit verwalten, der heißt Angela Merkel. Und es gibt jemanden, der will die Zukunft gestalten, der heißt Martin Schulz."
Auch wenn die Umfragen direkt nach dem Duell die Kanzlerin vorn sahen, im Kampf um die Deutungshoheit gilt es, weiter möglichst selbstbewusst aufzutreten. Wer verzagt, hat schon verloren.

Angela Merkel kam direkt nach dem Disput ebenfalls freudestrahlend in die Pressehalle. Sie ließ sich von ihren Anhängern herzen und drücken, auch die Kanzlerin ist eben nicht frei von Emotionen. Sie sei zufrieden, betonte die CDU-Chefin grinsend. Ihre Parteifreunde waren es auch am Tag danach noch - man gehe nun mit großer Zuversicht in den Schlussspurt, meinte etwa Unionsfraktionschef Volker Kauder. "Wir wissen aber auch: Die Wahl wird nicht in einem Fernseh-Duell entschieden."
Demgegenüber betonte Bundesjustizminister Heiko Maas von der SPD, der Auftritt von Schulz habe Mut gemacht. Das Duell werde seiner Partei "Rückenwind geben". Es gab gestern keinen in den Lagern von Union und SPD, der den eigenen Kandidaten ein wenig kritisieren oder gar den Gegner etwas loben wollte. Man sah und hörte nur Sieger. Knapp drei Wochen vor der Bundestagswahl war etwas anderes auch nicht zu erwarten. Also oblag es vor allem den kleinen Parteien, mit den Duellanten und dem Format zu hadern. Was wiederum auch nicht verwundert, waren sie doch am Sonntagabend außen vor geblieben. FDP-Chef Christian Lindner meinte, das Duell sei keine Auseinandersetzung um politische Alternativen gewesen. Er spottete: "Das war ein Duett." Linken-Vorsitzende Katja Kipping beklagte: "Themen, die wirklich die Leute umtreiben, sind so gut wie gar nicht vorgekommen." Auch die Grünen ließen kein gutes Haar an der Debatte: "Dass von Merkel keine Dynamik für Veränderung kommt, war zu erwarten", so Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt. Aber Martin Schulz habe ebenso keine Impulse gesetzt. AfD-Chefin Frauke Petry erklärte sogar, sie habe noch nie in 90 Minuten "so viel Oberflächliches und Belangloses am Stück" gehört.

Und dann gab es da noch jemanden, der sich wie Schulz beim Gillamoos zu Wort meldete: Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Der über eine abgeschriebene Doktorarbeit gestürzte CSU-Star macht für seine Partei wieder Wahlkampf. Das Wort Duell sei "vielleicht nicht so ganz passend" für das, was am Sonntagabend stattgefunden habe, stichelte er. Vielmehr habe man aufpassen müssen, dass Merkel und Schulz sich nicht "plötzlich umarmen mit Tränen in den Augen und sagen, es war alles nicht so gemeint". So weit dürfte die großkoalitionäre Freundschaft aber wohl auch in Zukunft nicht gehen.

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