Kinder aus armen Familien sprechen und zählen schlechter - Studie belegt Defizite - Koblenzer Professor: Problem lässt sich in Kitas allein nicht lösen

Trier · Eine neue Studie zeigt, dass Kinder von Hartz-IV-Empfängern bereits lange vor Beginn der Schule große Bildungsdefizite haben. Sie sprechen und zählen schlechter, haben öfter Übergewicht und besuchen seltener Vereine.

Viele Kinder, deren Familien von Hartz IV leben, hinken in ihrer Entwicklung bereits im Vorschulalter hinterher. Dies zeigt eine am Freitag veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung. Demnach weisen armutsgefährdete Kinder mehr als doppelt so viele Defizite auf wie Altersgenossen aus gesicherten finanziellen Verhältnissen. So sprechen über 40 Prozent nur mangelhaft deutsch. Auch Zahlen bereiten den Kindern Probleme, ebenso wie die Körperkoordination. Zudem sind fast neun Prozent (und damit doppelt so viele) der Kinder aus armen Familien übergewichtig und besuchen deutlich seltener Sport- oder Musikvereine.

"Es ist unglaublich schwierig, Chancengleichheit herzustellen", sagt Erni Schaaf-Peitz, Leiterin Kita Wittlich-Neuerburg und Sprecherin der Bildungsgewerkschaft GEW. Sie kennt die in der Studie beschriebenen Probleme aus 40 Jahren Arbeitsalltag. Die Rahmenbedingungen bezeichnet sie als "grottenschlecht". So bräuchten Kitas dringend mehr qualifiziertes Personal.

"Jeder Euro mehr für Kitas ist gut", sagt Prof. Dr. Stefan Sell, Direktor des Instituts für Bildungs- und Sozialpolitik der Hochschule Koblenz. "Aber mal brutal formuliert: Sie können da noch so viel ändern. Die Schere wird sich nicht schließen." Sie werde lediglich etwas kleiner. Denn zahlreiche Studien hätten gezeigt, dass der Einfluss der Familie auf das Kind doppelt so groß ist wie jener aller Bildungseinrichtungen, die es besucht.

Auch die Bertelsmann-Studie weist darauf hin, dass Kitas kein Allheilmittel sind. Positive Effekte hätten sie nur, wenn die Gruppen sozial gemischt sind. Daher rät Sell Kommunen, beim Bau von Sozialwohnungen stärker auf eine Durchmischung zu achten. Auch hält er kommunale Hilfsfonds für sinnvoll, die Beiträge für Sportvereine oder auch neue Fußballschuhe finanzieren.

Kinder aus armen Familien sprechen und zählen schlechter - Studie belegt Defizite - Koblenzer Professor: Problem lässt sich in Kitas allein nicht lösen

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