Kinderlos = Rente los

TRIER. Sollen Kinderlose dafür bezahlen, dass Deutschland der Nachwuchs fehlt? Eine Debatte, die schon seit Langem geführt wird – bislang ohne Ergebnis.

Nur wer 45 Jahre geschuftet und Kinder hat, der bekommt ab 67 zumindest eine bescheidene Eckrente. Alle anderen müssen schauen, wo sie im Alter bleiben. Nachdem Vizekanzler und Arbeitsminister Müntefering (SPD) die Arbeitnehmer bereits zwei Jahre länger hinter der Werkbank stehen lassen will, fordern nun Unionspolitiker noch eine Rentenkürzung für Kinderlose. Ausgelöst hat die neue (alte) Debatte der Bericht des Berlin-Instituts, das einen noch nie da gewesenen Geburtenrückgang in Deutschland bilanzierte. Statistisch gesehen, bringt jede deutsche Frau nur noch 1,36 Kinder zur Welt. Für eine stabile Bevölkerungszahl wären aber 2,1 Kinder notwendig. Daher sollen alle, die keine Kinder haben, zur Kasse gebeten werden - und zwar bei der Rente. Mit dem Vorschlag soll ein Anreiz geschaffen werden, mehr Kinder in die Welt zu setzen. Angela Merkel holte sich damit schon einmal eine blutige Nase: Halbe Rente für Kinderlose, forderte sie vor drei Jahren als CDU-Vorsitzende und bekam prompt Schelte aus dem damals noch rot-grünen Sozialministerium. Mit einer Benachteiligung Kinderloser werde das Grundprinzip der Rentenversicherung verletzt, hieß es. Trotzdem wird nun wieder eifrig über den Vorschlag diskutiert. Vergessen wird dabei allerdings, dass die Rentenversicherung nicht ganz unschuldig ist am Geburtenrückgang. Früher waren Kinder die Altersvorsorge. Ohne Nachwuchs war man arm im Alter. Mit der Einführung der Rentenversicherung durch Bismarck verlor diese Absicherung an Bedeutung, auch ohne Nachwuchs konnte man im Alter gut auskommen. Doch mit dem seit 35 Jahren andauernden Geburtenrückgang kam das umlagefinanzierte Rentensystem ins Wanken. Es gibt immer weniger Beitragszahler für immer mehr Rentenbezieher. Laut dem Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft hatte 1960 nur ein Elftel der Frauen keine Kinder, 2030 wird es ein Drittel sein. Folge: Die Rente schrumpft weiter. Noch immer glauben viele Arbeitnehmer tatsächlich, dass ihre Beiträge in die Rentenkasse für ihre Alterssicherung bestimmt seien. In Wirklichkeit bezahlen die Kinder der heutigen Rentner deren Alterssicherung. Und wer keine Kinder hat, lebt im Alter auf Kosten der Familien. So argumentieren zumindest die Befürworter der Rentenhalbierung für "Kinderverweigerer" und können sich dabei sogar auf ein höchstrichterliches Urteil aus dem Jahr 2001 stützen. Das Bundesverfassungsgericht entschied damals bezüglich der Pflegeversicherung, dass Eltern durch die Erziehung von Kindern nicht nur einen finanziellen, sondern auch einen generativen Beitrag zu den umlagefinanzierten Sozialsystemen leisteten. Diesen zweiten Beitrag leisteten lebenslang Kinderlose nicht, sagen Familienexperten. "Die Familien tragen die Arbeitsleistung und die Kosten für die Erziehung ihrer Kinder. Sind die Kinder dann erwachsen und tragen zur Wertschöpfung bei, raubt der Staat die Hälfte der Sozialbeiträge unserer Kinder und schenkt sie den Kinderlosen", ärgert sich der Mainzer Physik-Professor und Kämpfer für eine gerechtere Familienpolitik, Hermann Adrian. Der Chef des Münchener Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo, Hans-Werner Sinn, forderte bereits vor fünf Jahren: "Wer sein Geld nicht für Kinder ausgibt, dem kann man sehr wohl zumuten, es in die Sparbüchse zu stecken." Zwar sei der Ansatz des Bundesverfassungsgerichts, die Beiträge der Renten- und Pflegeversicherung nach der Kinderzahl zu staffeln, sinnvoll, doch würde damit die zukünftige Generation nicht entlastet. Besser sei, so Sinn, die Rente an die Kinderzahl zu koppeln: Wer mehr Kinder hat, bekommt mehr Rente. "Ein solches System würde den jungen Menschen wieder klar machen, dass sie selbst für ihre Rente verantwortlich sind."

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