Kinderlose zahlen zu

BERLIN. Wer keinen Nachwuchs großzieht, zahlt drauf: Im Streit um die Reform der Pflegeversicherung hat Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) den geplanten Sonderbeitrag für Kinderlose verteidigt. Nach den Vorgaben des Verfassungsgerichts muss von 2005 anEltern während der Erziehung besser gestellt werden

BERLIN. Eigentlich wollte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) in dieser Woche auf einer Pressekonferenz ihre Ideen zur Reform der Pflegeversicherung präsentieren. Das nachhaltige Echo auf die geplanten Einschnitte im Rentensystem sorgt allerdings schon für genug Unruhe, weshalb die Ministerin gestern auf die Bremse trat: Entscheidungen über die Weiterentwicklung der Pflegeversicherung seien "noch nicht gefallen”. Trotzdem gibt es bereits Arbeitspapiere ihres Hauses und Statements von Koalitionspolitikern, die darauf schließen lassen, wohin die Reise geht.Enormer bürokratischer Aufwand

Ausgangspunkt der neuen Diskussion ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2001, wonach Eltern mit Kindern spätestens von 2005 an geringere Beiträge in die Pflegekasse zahlen sollen als Kinderlose. Damit bekam ein verheirateter Vater von zehn Kindern Recht, der die Leistungen der Familien, die durch die Kindererziehung zum Erhalt des Versicherungssystems beitragen, nicht hinreichend berücksichtigt sah. Zwar spricht das Urteil ausdrücklich von "mehreren Möglichkeiten”, um die Familien besser zu stellen. Doch angesichts der dramatischen Finanzlage in den Sozialsystemen war schon damals klar, dass die elterlichen Pflegebeiträge nicht abgesenkt, sondern der Obolus der Kinderlosen steigen würde. Diskutiert wird nun ein "einkommensabhängiger gestaffelter Beitragszuschlag”, den die grüne Arbeitsmarktexpertin Thea Dückert zwischen einem und drei Euro ansiedelt. Der Sonderbeitrag soll auch für Eltern gelten, deren Kinder aus dem Haus sind. So könnte auf Einkommen bis 1000 Euro ein Euro zusätzlich fällig sein. Bis 2000 Euro läge der Zusatzbetrag bei zwei bis 2,50 Euro. Wer mehr verdient, müsste mit einem Aufschlag von drei Euro pro Monat rechnen. Allerdings wäre der bürokratische Aufwand enorm. Nach Angaben aus SPD-Kreisen wird deshalb auch ein einheitlicher Zuschlag von zwei bis drei Euro für alle kinderlosen Einkommensbezieher erwogen. Gegenwärtig liegt der Pflegebeitrag bei 1,7 Prozent vom Bruttolohn. Wer 1000 Euro erhält, zahlt demnach 17 Euro in die Pflegekasse.Demenzkranke könnten profitieren

Neben den verfassungsrichterlichen Vorgaben will Schmidt auch einige Vorschläge der Rürup-Kommission in die Reform einarbeiten. Geplant ist eine Angleichung der Sachleistungen für die häusliche und stationäre Pflege. Um den zunehmenden Einweisungen von Pflegebedürftigen in teure Heime zu begegnen, hatte Rürup eine spürbare Aufstockung der Pflegesätze für die ambulante Betreuung angeregt. Sind es bisher je nach Pflegestufe 384, 921 und 1432 Euro, so sollen künftig 400, 1000 und 1500 Euro gezahlt werden. Die gleichen Sätze würden auch für stationäre Pflege gelten, was eine deutliche Verringerung in den ersten beiden Pflegestufen bedeutet. Die finanzielle Verschiebebahnhof soll nicht nur den Anreiz zur häusliche Pflege steigern, sondern rund zwei Milliarden Euro jährlich einsparen. Im Gegenzug sollen die Pflegeleistungen allerdings mit der jährlichen Teuerungsrate Schritt halten. Derzeit gelten noch die Pflegesätze aus dem Jahr 1995. Außerdem will Schmidt die Betreuung von Demenzkranken (Altersverwirrung) künftig stärker berücksichtigen. Geplant ist ein zeitlicher Betreuungszuschlag von täglich 30 Minuten. Damit könnten etwa 60 000 Demenzkranke erstmals von der Pflegekasse profitieren, heißt es im Konzept des Sozialministeriums. Der im Rürup-Plan ebenfalls enthaltene Extrabeitrag für die Rentner ist dagegen vom Tisch. Schließlich werden die Ruheständler schon bei der Rentenreform mit erhöhten Pflegebeiträgen zur Kasse gebeten.

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