Klagelied der Pillendreher

BERLIN. Zwei Wochen nach Veröffentlichung der Eckpunkte zur Gesundheitsreform hat auch die Pharmabranche Kritik an der Vereinbarung angemeldet und droht mit dem Abbau von Arbeitsplätzen.

Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) macht dicke Backen: Die geplante Gesundheitsreform führe zu kräftigen Umsatzeinbrüchen und einem spürbaren Abbau von Arbeitsplätzen. Konkrete Zahlen konnte die Lobby-Organisation allerdings nicht nennen. Der politische Reform-Konsens sei ein "Frontalangriff gegen die Arzneimittelhersteller", sagte VFA-Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer gestern in Berlin. Zur Bekräftigung dieser These waren neben Yzer auch Vertreter wichtiger Pharma-Unternehmen erschienen. Nach ihrer Einschätzung geht der Forschungsstandort Deutschland einer düsteren Zukunft entgegen. So rechnet die Schwarz Pharma AG für das Inlandsgeschäft mit einem Verlust von zehn Millionen Euro. Es drohe ein Investitionsstopp und der Verlust von 200 Jobs. Die Boehringer Ingelheim GmbH sieht eine ähnliche Entwicklung voraus. Den Lobby-Verband empört vor allem die geplante Heraufsetzung des Preisabschlags für bestimmte verschreibungspflichtige Medikamente. Statt 94 Prozent des Herstellerpreises brauchen die Kassen den Pharma-Unternehmen 2004 nur noch 84 Prozent zu erstatten. Außerdem sollen patentgeschützte Pillen und Salben "ohne oder mit vergleichsweise geringfügigem zusätzlichen Nutzen" wieder einer Festbetrags-Regelung unterliegen. Die Pillen-Industrie soll bis 2007 einen Einsparbetrag von rund 5,5 Milliarden Euro leisten. Zum Vergleich: Auf Arbeitnehmer, Rentner und Patienten kommen im gleichen Zeitraum Belastungen von etwa 57 Milliarden Euro zu. VFA-Chefin Yzer verwies auf bereits beschlossene Kostendämpfungen, die die Pharmabetriebe mit mehr als zwei Milliarden Euro zur Kasse bäten. Als Sparbeitrag hatten die Arzneimittelhersteller die Herausnahme nicht rezeptpflichtiger Medikamente aus der Erstattung der Kassen angeboten. Auch dieser Punkt ist im Beschlusspapier zur Gesundheitsreform enthalten, doch die Kassen fürchten, dass Ärzte und Patienten auf verschreibungspflichtige Ersatzmedikamente ausweichen, die obendrein noch teurer sind als das bisherige Präparat. Der Vorsitzende des Bundestags-Gesundheitsausschusses, Klaus Kirschner (SPD), schüttelt über die Klagen der Pillendreher den Kopf. "Auch weiterhin wird es keine Beschränkungen für wirkliche Innovationen geben", stellte er klar. Sein CSU-Fachkollege Horst Seehofer präsentierte die Rechnung schon vergangene Woche: Zwischen 1997 und 2002 seien die Ausgaben der Krankenversicherung für festbetragsfreie Arzneimittel von acht auf 15 Milliarden Euro gestiegen, "was keineswegs allein medizinisch begründet war und der Pharmabranche zugute kam". Wer einen solchen Zuwachs verbuchen könne, stehe "jetzt besonders in der Pflicht".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort