Klare Aufgaben, vage Strukturen

TRIER. Jahrelang haben die Kommunen eine grundsätzliche Reform der Sozialhilfe-Strukturen gefordert. Jetzt, da sie kommt, wissen sie nicht, ob sich ihre Situation wirklich verbessert. Die neue Gesetzeslage bietet Chancen, aber ein überzeugendes gemeinsames Konzept ist noch nicht in Sicht.

16 prall gefüllte Aktenordner zum Thema "Hartz IV" stehen im Büro von Christfried Würfel. Sie dokumentieren eine gegen Ende immer rasender geführte Debatte über die unvermeidliche Reform von Sozial- und Arbeitslosenhilfe. Wenn hierzulande etwas vereinfacht und praktikabler gemacht werden soll, wird zunächst einmal reichlich Papier produziert. Würfel ist seit vielen Jahren eine Art Chefmanager der Trierer Sozialverwaltung. Mit dem zuständigen Dezernenten Georg Bernarding hat er immer wieder eigene Initiativen zur Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen und erwerbsfähigen Sozialhilfeempfängern entwickelt und umgesetzt. Die Idee von Hartz IV, Förderung und Integration an die Stelle reiner Alimentierung zu setzen, kommt seinen Vorstellungen entgegen.Weit gestecktes Kompetenzfeld

Aber die Umsetzung macht der Stadt Trier Probleme. Rund 6000 Menschen sind von der Umstrukturierung betroffen, ein weit höherer Bevölkerungsanteil als in den umliegenden Kreisen. Das dürfte ein Grund dafür sein, dass die Stadtverwaltung die Mammut-Aufgabe lieber in einer Arbeitsgemeinschaft mit der Arbeitsagentur angehen will. "Wir würden auf das Potenzial des ehemaligen Arbeitsamtes ungern verzichten", sagt Bürgermeister Bernarding. Allerdings hat der neu gewählte Stadtrat noch nicht getagt, und der Sozialpolitiker legt angesichts der Tragweite des Themas großen Wert auf die Einbindung der Bürgervertreter. Beim AG-Modell würden Mitarbeiter der städtischen Sozialverwaltung und der Arbeitsagentur in einem gemeinsamen "Job-Center" arbeiten, wahrscheinlich im Arbeitsamts-Gebäude in der Dasbach-Straße. Ihre Klienten wären Erwerbslose sowie jene bisherigen Sozialhilfe-Empfänger, die als erwerbsfähig eingestuft werden. Die neue Arbeitsgemeinschaft ist dann nicht nur für die "Verwaltung" der Erwerbslosigkeit zuständig, sondern in erster Linie für Beratung und Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Sie entscheidet über Hilfsangebote, hält Kontakt zu Beschäftigungsprojekten und bietet individuelles "Job-Management" - jedenfalls im Idealfall. Ein weit gestecktes Kompetenzfeld. So klar die Aufgaben sind, so vage sind die Strukturen. Wie zwei völlig unterschiedliche Behörden und ihre spezialisierten Mitarbeiter in der Praxis kooperieren sollen, weiß niemand so genau. "Wir sind in intensiven Vorbereitungsgesprächen mit der Stadt und den Kreisen", versichert der Trierer Direktor der Agentur für Arbeit, Hans Dieter Kaeswurm. Er hoffe, "dass alle die Lösung der AG wählen und wir die Kompetenzen zusammen legen". Doch im Moment scheint das eher ein Wunschtraum zu bleiben. Landkreise wie Trier-Saarburg und Bitburg-Prüm denken intensiv darüber nach, sich für eine eigene kommunale Trägerschaft zu bewerben. Vier Kreise und Städte in Rheinland-Pfalz könnten bis Ende August für ein entsprechendes Versuchs-Projekt optieren - und bislang ist das Gedränge, wie man hört, nicht all zu groß. Der Bundesgesetzgeber hat die Hürde recht hoch gehängt: Erhält ein Kreis die Option, muss die Kommunalverwaltung die kompletten Aufgaben als Träger der Grundsicherung alleine übernehmen - auch das Wiedereingliederungs-Management. Wo das dafür benötigte Fachpersonal herkommen soll, ist unklar. Was nach sechs Jahren passiert, wenn der Versuch ausläuft: Ebenfalls völlig offen. Dennoch glaubt etwa Sozialamtsleiter Stephan Schmitz-Wenzel von der Kreisverwaltung Bitburg, dass "wir vor Ort die Leute und die Betriebe kennen und am besten in der Lage sind, damit umzugehen". Am 30. August wird der Bitburger Kreistag über die Bewerbung entscheiden. Auch der Trier-Saarburger Landrat Richard Groß denkt an eine Option, unter Einbeziehung der ortsnahen Verbandsgemeinde-Verwaltungen. Dass dort dann auch die Integration in den Arbeitsmarkt betrieben werden soll, hält er für eine "ziemlich problematische Situation". Aber der Gesetzgeber habe leider "ausgeschlossen, dass wir uns da der Arbeitsagentur bedienen". So müssen man "gar nicht so wenig" zusätzliches Personal einstellen, zum Beispiel bei den Fall-Managern. Eine Perspektive, der Hans Dieter Kaeswurm wenig abgewinnen kann. Der Arbeitsmarkt ende doch gerade in einer eng verzahnten Region wie Trier "nicht an der kommunalen Grenze". Und eigentlich sei es doch der Sinn aller Reformen gewesen, "dass am Ende alles aus einer Hand kommt".

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