Groko-Sondierungen Klassenkeile von den Sondierern

Berlin · Die SPD ist sauer über Indiskretionen aus den Verhandlungen zur Groko-Bildung.

 Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat den Zorn der Groko-Verhandler auf sich gezogen: Obwohl Stillschweigen vereint worden war, informierte er die Öffentlichkeit über Verhandlungsergebnisse.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat den Zorn der Groko-Verhandler auf sich gezogen: Obwohl Stillschweigen vereint worden war, informierte er die Öffentlichkeit über Verhandlungsergebnisse.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Nach Turbulenzen über eine Veröffentlichung von Verhandlungsergebnissen in Sachen Klimapolitik versuchten die Groko-Sondierer sich am Dienstag an einer Bestandsaufnahme ihrer bisherigen Beratungen. Sechs der 14 Arbeitsgruppen trugen bei einer ganztätigen Sitzung in der Bayerischen Landesvertretung ihre Zwischenergebnisse vor, darunter die besonders umstrittenen Bereiche Gesundheit und Finanzen. Einzelheiten wurden zunächst nicht bekannt.

Die Einigung der Fachexperten von CDU, CSU und SPD über Klimafragen war am Montagnachmittag an die Öffentlichkeit gedrungen und hatte sogleich heftige Reaktionen ausgelöst. In dem dreiseitigen Papier, das unserer Redaktion vorliegt, wird erklärt, Deutschland werde sein Klimaziel für 2020 „aus heutiger Sicht nicht erreichen“. Ursprünglich hatte Deutschland den CO2-Ausstoß im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent senken wollen; geschafft werden aber lediglich 28 bis 32 Prozent. Nur durch die schnelle Abschaltung von Braunkohlekraftwerken wäre das Ziel noch erreichbar, wogegen sich jedoch die Länder Nordrhein-Westfalen und Brandenburg, Teile der SPD sowie der Gewerkschaft BCE heftig wehren. Die Jamaika-Sondierer hatten das alte Klimaziel zwar bekräftigt, sich aber bis zuletzt über den Ausstieg aus der Braunkohle gestritten.

Die Groko-Sondierer legten sich nun lediglich auf das fernere Ziel fest, nämlich eine CO2-Verringerung um 55 Prozent bis 2030. Die Umsetzung soll einer Kommission überlassen werden, die bis 2018 einen „Aktionsplan“ erarbeiten soll. Das Ende der Kohleverstromung „einschließlich eines Abschlussdatums und der notwendigen Begleitmaßnahmen“ soll Teil eines solchen Plans sein. Gleichzeitig sollen Windkraft und Sonnenergie per Sonderausschreibung von rund acht Gigawatt noch einmal einen massiven Schub bekommen.

Vor allem die Grünen nutzten dieses Papier, um sich als ökologische Alternative zu präsentieren. Der mögliche neue Parteisprecher Robert Habeck fragte rhetorisch: „Wer kämpft in der großen Koalition für den Kohleausstieg oder für eine wirkliche Verringerung des CO2-Ausstoßes, auch im Verkehr? Da ist niemand, den ich kenne.“ Und die Kandidatin des linken Flügels für den Parteivorsitz, die niedersächsische Grünen-Politikerin Anja Piel, sagte, sie sei „nachgerade richtig wütend“ über die Aufgabe des Klimaziels für 2020. Hingegen äußerte sich Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) zufrieden. Beim Thema Energie und Braunkohle scheine „Realismus“ einzukehren, so Woidke. „Das ist auch Zeit geworden.“ Dass das 40-Prozent-Ziel nicht mehr erreichbar sei, sei seit langem klar gewesen. Woidke gehört den Verhandlungsdelegationen nicht an.

Bekannt wurde die Einigung, weil Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), der zusammen mit Niedersachsens Regierungschef Stefan Weil die entsprechende Arbeitsgruppe leitet, am Montagabend bei einem Empfang in Düsseldorf in allgemeiner Form darüber informiert hatte. Obwohl Laschet gar keine Details nannte und das Einigungspapier parallel auf anderen Wegen an die Presse durchsickerte, zog er den Zorn aller Verhandler auf sich. Denn grundsätzlich war Stillschweigen vereinbart worden. Von „Durchstechereien“ der Union sprach SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles vor Beginn der Beratungen am Dienstag und forderte die CDU-Seite auf, „den Jamaika-Modus endgültig abzustellen“. Generalsekretär Lars Klingbeil bat die SPD-Mitglieder um Verständnis, dass die SPD die verabredete Kommunikationsdisziplin einhalte und sagte in Bezug auf das Klimapapier: „Zwischenstände haben keine Bedeutung.“ Der Vorgang rief auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder auf den Plan, der ebenfalls darauf hinwies, dass ein Arbeitsgruppenergebnis noch kein Endergebnis sei. Kauder philosophisch: „Alles ist erst verhandelt, wenn alles verhandelt ist.“

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