Kleine Brötchen backen

Angenommen, ein Dienstleister ist in fünf verschiedenen Ländern tätig: Dann muss ein und dasselbe Unternehmen nach fünf verschiedenen Rechtssystemen arbeiten. Dass so der Expansion in neue Märkte – also weitere Länder – enge Grenzen gesetzt sind, ist offensichtlich.

Angenommen, ein Dienstleister ist in fünf verschiedenen Ländern tätig: Dann muss ein und dasselbe Unternehmen nach fünf verschiedenen Rechtssystemen arbeiten. Dass so der Expansion in neue Märkte – also weitere Länder – enge Grenzen gesetzt sind, ist offensichtlich. Der Gedanke, der hinter der geplanten Dienstleistungsrichtlinie der Europäischen Union steht, hat deshalb durchaus etwas für sich: Innerhalb der EU soll jedes Unternehmen nach dem Rechtssystem des Landes arbeiten, aus dem es stammt. Dieses so genannte Herkunftslandprinzip ist das Kernstück des Richtlinien-Entwurfs, ohne es macht er wenig Sinn. Das Problem: Zwischen den 25 EU-Ländern gibt es himmelweite Unterschiede bei Qualitäts- und Produktionsvorschriften, vor allem aber in puncto Lohn- und Sozialstandards. Wenn vor diesem Hintergrund das Herkunftslandprinzip in Kraft tritt, bleibt im Dienstleistungsmarkt kein Stein auf dem anderen – die Folgen sind unüberschaubar. Es ist durchaus möglich, sogar wahrscheinlich, dass durch eine Liberalisierung des Dienstleistungsmarktes auch in Deutschland neue Arbeitsplätze entstehen – wenn die Schätzungen von 70 000 auch zu optimistisch sein dürften. Noch wahrscheinlicher ist allerdings, dass hierzulande eine Menge Jobs durch die Billig-Konkurrenz vernichtet werden – und zwar im Niedriglohnbereich, also genau dort, wo schon jetzt die meisten Stellen fehlen. Eine Lösung? Die jetzt avisierten Ausnahmeregelungen für bestimmte Berufsgruppen sind jedenfalls eine denkbar schlechte: Sie führen zu einem enormen Wust an Vorschriften und laufen dem allerorts proklamierten Ziel des Bürokratie-Abbaus zuwider. Sinnvoller wäre es, genau umgekehrt zu verfahren: das Herkunftslandprinzip nur in bestimmten Branchen einzuführen. Dort, wo die Folgen der Liberalisierung einigermaßen absehbar sind, wo die Rechtsvorschriften der Mitgliedsländer einander ähneln oder wo schon jetzt kaum noch Deutsche tätig sind. So könnte man positive und negative Auswirkungen studieren und Erfahrungen sammeln, bevor das Herkunftslandprinzip in sensibleren Feldern zum Tragen käme. Weiterer positiver Effekt: Der EU bliebe Zeit, dort vor der Freigabe für eine Angleichung von Standards zu sorgen. i.kreutz@volksfreund.de

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