Kleine Tablette, großer Streit

Berlin · Hormonelle Notfallverhütung mit der Pille danach. Linke und Grüne im Bundestag drängen auf eine rezeptfreie Abgabe, um Frauen einen schnelleren Zugang zu dem Präparat zu ermöglichen. Die SPD ist dafür. Doch die Union mauert.

Berlin. Die auf Bundesebene regierende Union will eine Rezeptfreiheit der Pille danach, einem Präparat zur Vermeidung ungewollter Schwangerschaften, auf jeden Fall verhindern. "An unserer Haltung hat sich nichts geändert", erklärte der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn am Donnerstag. Deutschland habe eine hohe Ärzte- und Apothekendichte sowie einen gut funktionierenden Notdienst. Da sei es "keine Zumutung, sondern eine Chance", sich medizinisch beraten zu lassen, ehe man das Medikament schlucke, so Spahn.
Dabei gibt es das Präparat in 79 Staaten rezeptfrei zu kaufen, darunter in 19 europäischen Ländern - wie beispielsweise in Luxemburg (der TV berichtete). Auch das kann den CDU-Fachmann nicht umstimmen. Spahn verwies auf "ernsthafte Nebenwirkungen" des Medikaments, die das Arztgespräch notwendig mache. Nur dadurch blieben "die gesundheitliche Vorsorge und die Intimsphäre der Patientinnen ausreichend bewahrt".
Die Opposition sieht das komplett anders. "Aus unserer Sicht gibt es kein einziges sachbezogenes Argument gegen die Verschreibungsfreiheit für dieses Notfallverhütungsmittel", sagte die Gesundheitsfachfrau der Linken, Kathrin Vogler. Im Gleichklang mit den Grünen verweist ihre Partei auf den Sachverständigenausschuss beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, der schon im Januar empfohlen hatte, die Verschreibungspflicht für die Pille danach auf Basis des Wirkstoffs Levonorgestrel aufzuheben. Der Bundesrat hatte einen solchen Schritt bereits im vergangenen Jahr befürwortet. Das Hauptargument der Opposition: Die Pille danach wirke umso verlässlicher, je früher sie nach dem Geschlechtsverkehr zur Anwendung komme. Dies sei aber beeinträchtigt, wenn erst ärztliche Notfalldienste aufgesucht werden müssten, um das Rezept zu erhalten. Laut Bundesärztekammer hemmen die Präparate mit dem Wirkstoff Levonorgestrel die Weiterentwicklung und Reifung des Eibläschens und den Eisprung, wenn sie spätestens 72 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen werden.
Eigentlich würde auch die SPD dem Medikament gern zur Rezeptfreiheit verhelfen. Doch im Koalitionsvertrag mit CDU und CSU ist nichts dergleichen geregelt. Und die Genossen fühlen sich an den Grundsatz gebunden, in der Koalition nicht gegeneinander zu stimmen. "Wir haben da noch Beratungsbedarf", sagte der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach auf Anfrage. vet

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