Klimaforscher warnen: Der grönländische Eisschild könnte unwiederbringlich schmelzen

Zwei Wochen vor Beginn der Internationalen Klimakonferenz in Kopenhagen haben gestern führende deutsche Wissenschaftler vor der Presse in Berlin eindringlich an die Teilnehmer appelliert, das Treffen zu einem Erfolg zu machen.

Berlin. "Es gibt keinen zeitlichen Spielraum mehr", sagte der Präsident des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth. Deutschlands führender Klimaforscher, Hans Joachim Schellnhuber aus Potsdam, warnte vor den katastrophalen Folgen einer ungebremsten Erderwärmung. "Niemand kann sagen, er habe es nicht gewusst".

Laut Schellnhuber muss die Konferenz verbindlich festlegen, dass die Erderwärmung nicht über zwei Grad steigen darf und dass der Scheitelpunkt des CO{-2}-Ausstoßes deutlich vor 2020 liegen muss. Schellnhuber sagte, wenn die Zwei-Grad-Grenze überschritten werde, dann drohe der grönländische Eisschild unwiederbringlich zu schmelzen. "Das ist die Achillesferse des Planeten". Dann steige der Meeresspiegel schnell um sieben Meter, "und die Küstenlinien der Welt müssen neu gezogen werden". Zudem würden andere "Kipppunkte" aktiviert "und wir wechseln in eine andere Klimawelt über". Aber auch bei Einhaltung der zwei Grad-Grenze werde es einen Anstieg des Meeresspiegels um bis zu 30 Meter geben. Allerdings wesentlich langfristiger, im Verlauf von mehreren hundert Jahren, so dass sich die Menschheit daran anpassen könne.

Schellnhuber bestätigte Berichte, dass die Erderwärmung in den vergangenen zehn Jahren bei plus 0,8 Grad zum Stillstand gekommen ist. Dies bedeute jedoch keine Entwarnung. Die Abflachung der Fieberkurve sei Folge zeitlich begrenzter Faktoren, etwa der geringen Sonnenaktivität. Der Temperaturanstieg verlaufe nicht linear, sondern sprunghaft. Mittelfristig bedeute das jetzt schon in der Atmosphäre befindliche CO{-2} eine globale Erwärmung um 1,3 Grad.

Notfalls unter Alkoholeinfluss: Der Durchbruch soll kommen



Nach Ansicht der Forscher darf die Menschheit insgesamt noch maximal 750 Milliarden Tonnen CO{-2} in die Atmosphäre blasen. Umgerechnet wären das 110 Tonnen pro Erdbewohner. Die Deutschen, die derzeit elf Tonnen pro Person und Jahr verbrauchen, dürften demnach nur noch zehn Jahre überhaupt Kohlendioxid emittieren, die Amerikaner nur sechs Jahre und auch die Chinesen nur 24 Jahre. Dann müssten alle bei null sein.

Die Zahlen zeigen laut Dirk Messner vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung, wie groß der Handlungsdruck ist. Der gemeinsame Vorschlag der Forscher ist es, die verbleibenden 750 Milliarden Tonnen CO{-2} weltweit als handelbare Emissionsrechte aufzuteilen. Wer mehr verbraucht, als ihm zusteht, muss Emissionsrechte von Ländern kaufen, die den Pro-Kopf-Verbrauch nicht erreichen. Das schaffe in den Industrieländern Anreize zum Energiesparen und für den Ausbau erneuerbarer Energien und verschaffe den Entwicklungsländern Geld, um die Modernisierung zu bewältigen.

Schellnhuber, der als Klimaberater der Bundeskanzlerin selbst an den Verhandlungen in Kopenhagen teilnimmt, zeigte sich überzeugt, dass es bei dem Gipfel zu einem Erfolg kommt. Viele Staatschefs wollten anreisen, darunter auch Angela Merkel. Sie könnten nicht ohne Ergebnis wieder nach Hause fahren. "Es wird am Ende bei einem Abendessen oder nachts einen Durchbruch geben", sagte der Wissenschaftler. "Unter Alkoholeinfluss oder ohne Alkoholeinfluss".

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