Klöckner warnt vor Wettlauf um Mindestlohn

Mainz · SPD, Grüne und die Gewerkschaft Verdi loben die Forderung des CDU-Kreisverbands Trier-Saarburg, einen gesetzlichen Mindestlohn für alle Branchen einzuführen. Derweil gewinnt die Debatte in der Union rasant an Fahrt.

Mainz. Die in einem Antrag für den Landesparteitag formulierte Forderung der CDU Trier-Saarburg nach einem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro (der TV berichtete) zieht in der Kommunal- und Landespolitik weite Kreise.
In dieser Woche hat sich die CDU-Landtagsfraktion ausgiebig mit dem Thema befasst. Teilnehmer meinen, die bisherige Linie der Partei auf Bundes- und Landesebene beginne zu bröckeln. Bislang hatte die Union einen gesetzlichen Mindestlohn stets konsequent abgelehnt.
CDU-Chefin Julia Klöckner begrüßt die Debatte in ihrer Partei. Es werde "von oben nach unten und umgekehrt diskutiert". Dabei handele es sich "um ein sehr differenziertes Thema, bei dem es keine einfachen Lösungen gibt".
Erstmals nimmt Klöckner auch inhaltlich Stellung und zeigt sich skeptisch: "Ich gebe zu bedenken, dass wir eine Lösung finden, die der sozialen Marktwirtschaft, der Tarifautonomie und dem Leistungsprinzip gerecht wird. Menschen, die ordentlich arbeiten, müssen ordentlich bezahlt werden. Aber von einem Wettbewerb vor jeder Wahl, wer den höheren Mindestlohn von den Parteien verspricht, halte ich nichts." Deshalb sei der Weg von SPD und Linkspartei "nicht der richtige".
Große Freude, dass die Diskussion in der CDU den Weg "nach oben" gefunden hat, herrscht in der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA). Sie hatte den Prozess initiiert.
Der stellvertretende Landesvorsitzende Sascha Kohlmann aus Schillingen (Kreis Trier-Saarburg), zugleich Bezirkschef Trier, fordert eine flächendeckende Lohnuntergrenze, die dem Mindestlohn entsprechen müsse. Dieser "muss deutlich höher als die staatlichen Sozialleistungen sein und die Inanspruchnahme zusätzlicher staatlicher Transferleistungen ausschließen".
Kohlmann fordert von den Politikern der CDU, "ihren Widerstand aufzugeben, zumal viele in der CDU, der Bevölkerung und sogar Wirtschaftswissenschaftler und Unternehmerverbände dies zwischenzeitlich fordern".
Hendrik Hering, SPD-Fraktionschef im Landtag, kommentiert, der Trier-Saarburger Vorstoß ziele "ganz klar in die richtige Richtung, auf der die SPD sich schon seit langem befindet". Die CDU-Einsicht komme spät - "aber besser als nie".
Hering kündigt an, das Thema werde in der Landtagssitzung im September auf die Tagesordnung gesetzt. Er prophezeit, noch vor der Bundestagswahl 2013 werde die CDU dem Mindestlohn zustimmen. "Leider nicht aus Einsicht, sondern aus taktischen Gründen."
Grünen-Fraktionschef Daniel Köbler wirbt ebenfalls für eine Lohnuntergrenze. "Wir brauchen den Mindestlohn, um allen Menschen wieder zu ermöglichen, von ihrer Arbeit auch leben zu können. Durch die Öffnung des Arbeitsmarktes für osteuropäische Länder der EU ist die Einführung des Mindestlohns noch dringender geworden."
"Angenehm überrascht" von der Debatte in der CDU zeigt sich Christina Gothe, stellvertretende Landesbezirksleiterin der Gewerkschaft Verdi. "Die CDU schickt sich an, endlich im 21. Jahrhundert anzukommen. Der Mindestlohn ist schon lange ein europäisches Erfolgsmodell. Besser spät als nie."
Katarina Barley, SPD-Vorsitzende im Kreis Trier-Saarburg, begrüßt den Vorstoß der CDU im Kreis ebenfalls. Damit sei die Union nach ihrer Wende in der Energie- und Bildungspolitik nun auch in der Arbeitsmarktpolitik dabei, "auf sozialdemokratische Positionen einzuschwenken". Man dürfe gespannt sein, inwieweit die Kreis-CDU "innerhalb ihrer eigenen Reihen Gehör findet". Dann stelle sich allerdings immer noch die Frage, ob der CDU das Anliegen wichtig genug sei, um es im Bund gegen ihren Koalitionspartner FDP durchzusetzen, der ganz andere Interessen vertrete."Wenn wir eine Volkspartei bleiben wollen, müssen wir uns damit auseinandersetzen", sagte der Vorsitzende des CDU-Kreisverbandes Trier-Saarburg, Arnold Schmitt, am Donnerstag in seinem Heimatort Riol. Er kündigte einen Antrag für Mindestlöhne in Höhe von 8,50 Euro für den nächsten Parteitag der Landes-CDU im November an. Die rheinland-pfälzische CDU müsse sich bei der Bundespartei für Mindestlöhne einsetzen, betonte Schmitt. So könnten Dumpinglöhne "ordnungspolitisch verhindert" werden. Auch der Erhalt der Tarifautonomie ist für Schmitt in diesem Kontext kein Argument. Auch Feiertage seien beispielsweise gesetzlich vorgeschrieben, daher werde die Wirtschaft durch Mindestlöhne "auch nicht untergehen".

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