Köhler zettelt Ost-West-Debatte an

BERLIN. Die Äußerungen von Bundespräsident Horst Köhler, sich mit den unterschiedlichen Lebensverhältnissen in Ost und West abzufinden, sind parteiübergreifend auf heftigen Widerspruch gestoßen.

"Ich wünschte mir, Köhler hätte sich diese Bewertung gespart, weil sie nur eine ärgerliche Ost-West-Debatte auslöst", meinte gestern der brandenburgische Landesgruppensprecher der SPD-Bundestagsabgeordneten, Peter Danckert, gegenüber unserer Zeitung. Zuvor hatte schon Thüringens Ministerpräsident, Dieter Althaus (CDU), deutliche Kritik angemeldet. Ziel bleibe, "dass die Schere zwischen Ost und West zusammengehen muss, so dass es zu vergleichbaren Lebensverhältnisse kommt", sagte Althaus. Der Wirbel wurde durch ein Interview ausgelöst, das der "Focus" für seine aktuelle Ausgabe mit dem Bundespräsidenten führte. Danach solle sich Deutschland vom Ziel gleicher Lebensverhältnisse verabschieden. Zur Begründung sagte Köhler: Es gebe nun einmal "in der Republik große Unterschiede in den Lebensverhältnissen. Das geht von Nord nach Süd wie von West nach Ost". Wer diese Unterschiede einebnen wolle, "zementiert den Subventionsstaat und legt der jungen Generation eine untragbare Schuldenlast auf". Deutschland müsse "wegkommen vom Subventionsstaat". Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), der am Sonntag eine Landtagswahl zu bestehen hat, nannte Köhlers Äußerungen "nicht glücklich". Klar sei, dass es regionale Unterschiede geben werde. "Aber es ist eine Frage des Maßes", betonte Platzeck. Nach Einschätzung von Dieter Wiefelspütz - der Nordrhein-Westfale ist innenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion - dürften die Deutschen "nicht das Bewusstsein verlieren, ein Volk zu sein". Vor diesem Hintergrund habe sich Köhler "missverständlich ausgedrückt", sagte Wiefelspütz. Der SPD-Politiker warnte Köhler davor, die Lebensverhältnisse in Deutschland ausschließlich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu betrachten: "Der Mensch ist mehr als nur Ökonomie." So müsse die Schulausbildung in Leipzig genau so gut sein wie in München. Sein brandenburgischer Parteikollege Peter Danckert warf dem Bundespräsidenten zugleich mangelnde Kenntnisse über die ostdeutschen Verhältnisse vor. Für eine intensive Beschäftigung genüge es nicht, den Osten in offizieller Mission zu bereisen. "Hier macht sich das Gefühl breit, der Westen hat uns abgeschrieben. Und jetzt sagt das auch noch der Bundespräsident", klagte Danckert.

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