Kommt jetzt das Aus für die Majestätsbeleidigung?

Berlin · Eigentlich sollte nach der Böhmermann-Affäre alles ganz schnell gehen. Weg damit, so jedenfalls der Wille von SPD und Opposition. Doch daraus ist bislang nichts geworden: Der Paragraf 103 des Strafgesetzbuches, "Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten", besser bekannt als Majestätsbeleidigungs-Paragraf, gilt immer noch.

Berlin. Ein Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) zur Abschaffung des sogenannten Majestätsbeleidigungs-Paragrafen hängt in der Ressortabstimmung fest. Wegen der Entscheidung der Staatsanwaltschaft Mainz, die Ermittlungen gegen den Fernsehmoderator Jan Böhmermann einzustellen, könnte nun neue Bewegung in die Angelegenheit kommen.
Sein "Schmähgedicht" über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hatte Anfang April nicht nur für Spannungen mit der Türkei, sondern auch in Berlin für eine Regierungskrise gesorgt. Denn die Bundesregierung gab damals trotz eines Vetos der SPD-Minister den Weg frei für ein Strafverfahren gegen Böhmermann wegen Beleidigung nach Paragraf 103 des Strafgesetzbuches. Diese Zustimmung ist nötig, wenn jemand aus dem Ausland gegen Deutsche wegen "Majestätsbeleidigung" vorgehen will.Regierung auf Tauchstation


Regierungssprecher Steffen Seibert wollte sich am Mittwoch zu der Causa nicht mehr äußern - "es ist alles gesagt", ging er auf Tauchstation. Er hatte damals im Namen Merkels das Gedicht als "bewusst verletzend" bezeichnet, was viele als Einmischung und Vorwegnahme eines Urteils empfanden. Die Staatsanwaltschaft Mainz stellte am Dienstag jedoch klar, dass kein strafbares Verhalten vorliege. Ein Klatsche für Seibert. Und für Merkel.
Kaum hatte die Kanzlerin im April die Ermittlungen gegen Böhmermann zugelassen, kündigte sie auch an, Paragraf 103 aus dem deutschen Strafrecht zu tilgen. Nicht sofort, sondern zum 1. Januar 2018. So sollte noch Zeit für das Verfahren bleiben. "Wir wollen keine Lex Böhmermann", hieß es seinerzeit. Außerdem sollte Erdogan nicht weiter brüskiert werden.
Demgegenüber drückte Merkels Koalitionspartner aufs Tempo: Mehrere von der SPD geführte Bundesländer legten eine Initiative zur Abschaffung des Gesetzes im Bundesrat vor, um Böhmermann eine mögliche Verurteilung wegen Paragraf 103 noch durch eine Änderung der Gesetzeslage zu ersparen. Doch sie scheiterten damit.
Auch Justizminister Heiko Maas präsentierte einen Gesetzentwurf, um Merkel und die Union unter Druck zu setzen. "Die Vorstellung, die Repräsentanten ausländischer Staaten benötigten einen über die Paragrafen 185 fortfolgende Strafgesetzbuch hin ausgehenden Schutz der Ehre, erscheint nicht mehr zeitgemäß", heißt es darin in bestem Bürokratendeutsch. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens wurde aber bewusst offengehalten.Entwurf hängt fest


Seitdem hängt der Maas-Entwurf in der Ressortabstimmung fest, dem Vernehmen nach wegen des Widerstands des Kanzleramtes und des Innenministeriums.
Die Entscheidung der Mainzer Staatsanwaltschaft könne das Verfahren nun wieder ankurbeln, hieß es jetzt. Womöglich werde darüber am Rande des an diesem Donnerstag stattfindenden Koalitionsausschusses gesprochen. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann wiederholte bereits die Forderung, der entsprechende Paragraf gehöre "sofort, nicht erst 2018" abgeschafft.
Auch die Grünen, die sich mit einem eigenen Gesetzentwurf im Bundestag nicht durchsetzen konnten, erhöhten wieder den Druck: Die Kanzlerin dürfe "die Angelegenheit nicht unter den Tisch fallen lassen", sagte Fraktionschef Anton Hofreiter unserer Redaktion.
Die Presse- und Meinungsfreiheit könne nicht länger "vom Gutdünken der Bundesregierung abhängig sein". Das bisherige Vorgehen der Bundesregierung bezeichnete Hofreiter als "peinliches Lavieren".
Extra

Aus der türkischen Regierungspartei AKP ist harsche Kritikander Einstellung der Ermittlungen gegen ZDF-Satiriker Jan Böhmermann laut geworden. Der deutsch-türkische Abgeordnete Mustafa Yeneroglu nannte es am Mittwoch einen "Skandal", dass die Mainzer Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Böhmermann wegen dessen "Schmähgedichts" über den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan eingestellt hatte. Das sei "ein Armutszeugnis für die deutsche Justiz", sagte der Erdogan-Vertraute. Er gehe davon aus, dass Erdogan Beschwerde gegen die Entscheidung einlegen werde. Er warf der Staatsanwaltschaft vor, diese habe sich "mitreißen lassen von der allgemeinen Stimmung gegen den türkischen Präsidenten und dabei jegliches Gespür für die juristische Rechtsanwendung verloren". Die Mainzer Staatsanwaltschaft hatte am Dienstag mitgeteilt, strafbare Handlungen seien nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen. dpa

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