Kommunen proben den Aufstand

Den Städten und Gemeinden in Deutschland steht finanziell das Wasser bis zum Hals. Unstetige Einnahmen und rasant steigende Sozialausgaben sind das Problem. Die Kommunen verlangen Hilfe vom Bund.

 Ginge es nach dem Willen des Städtetages und des Städte- und Gemeindebundes sollen (von links) Freiberufler wie zum Beispiel Ärzte, Tagesmütter, Anwälte, Dozenten, Architekten und auch Künstler künftig Gewerbesteuer zahlen. Fotos: dpa

Ginge es nach dem Willen des Städtetages und des Städte- und Gemeindebundes sollen (von links) Freiberufler wie zum Beispiel Ärzte, Tagesmütter, Anwälte, Dozenten, Architekten und auch Künstler künftig Gewerbesteuer zahlen. Fotos: dpa

Mainz/Trier. Seit Anfang März tagt in Berlin regelmäßig die Gemeindefinanzkommission. Sie soll den Kommunen einen Weg aus dem Schuldensumpf weisen. In Rheinland-Pfalz belaufen sich deren Kassenkredite (vergleichbar mit Dispo-Krediten von Verbrauchern) auf fast fünf Milliarden Euro. Doch eine der in Berlin diskutierten Ideen ruft bei Stadtoberhäuptern zorniges Kopfschütteln hervor. "Es wäre unverantwortlich, die Gewerbesteuer abzuschaffen. Woher sollen dann 30 bis 40 Milliarden Euro Einnahmen jährlich kommen?", wettert Christian Ude (SPD), Vizepräsident des Deutschen Städtetages.

Gegen diesen FDP-Vorschlag kämpft auch Städtetags-Präsidentin Petra Roth (CDU). Ihr Argument: Unternehmen müssten an den Kosten für die Infrastruktur (etwa Beleuchtung, Kläranlagen, Parkplätze, Straßen) beteiligt werden, die ihnen die Kommunen böten.

Die Präsidien des Städtetages und des Städte- und Gemeindebundes lehnen es in einer Resolution ab, die Gewerbesteuer durch eine kommunale Beteiligung an der Einkommens- und Körperschaftssteuer zu ersetzen. "Ein Arbeitnehmer würde mehr Einkommenssteuer und damit dem Arbeitgeber die Kosten für die Infrastruktur zahlen, das kann nicht sein", sagt Roth.

Die Verbände fordern, dass auch Freiberufler wie Anwälte, Architekten oder Ärzte Gewerbesteuer zahlen. "Warum zahlen Handwerk und Mittelstand längst Gewerbesteuer, Freiberufler aber nicht? Auch diese könnten Gewerbesteuerzahlungen auf die Einkommenssteuer anrechnen lassen", sagt Christian Schramm, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.

Bei Betroffenen ruft die Forderung Skepsis hervor. "Eine Gewerbesteuer für freie Berufe wäre nicht gerecht. Freiberufler haben kein Gewerbe und nehmen nicht die öffentlichen Leistungen wie Parkplätze, die für Gewerbebetriebe oft nötig sind, in Anspruch", kritisiert die Wittlicher Steuerberaterin Manuela Donell. Architekt Ede Binz aus Wittlich sagt: "Wenn jemand vernünftig mit meinem Geld umgeht, habe ich kein Problem, einen Beitrag zu leisten. Angesichts diverser Projekte wie Nürburgring und Hochmoselübergang bezweifele ich aber, dass das Geld beim Land gut angelegt ist."

Der Bitburger Anwalt Horst Büttner meint, "dass es einen Riesenunterschied zwischen Freiberuflern und Gewerbetreibenden gibt: Wir sind verkammert, zahlen unsere Altersvorsorge selbst und arbeiten nicht nur unter kaufmännischen Gesichtspunkten. Denn wir sind auch verpflichtet, unwirtschaftliche Mandate zu übernehmen." Es biete sich nicht an, "das über einen Kamm zu scheren".

Neben der Verbesserung der Einnahmen zielen die kommunalen Spitzenverbände darauf ab, die Kosten der Städte und Gemeinden für die Sozialausgaben zu senken. Sie sind in den vergangenen Jahren explodiert und summieren sich auf etwa 41 Milliarden Euro jährlich.

Als Beispiel wird die "Eingliederungshilfe" für behinderte Menschen genannt, für die zum größten Teil die Kommunen aufkommen müssten. "Der Bund muss sich an den Kosten beteiligen, denn es handelt sich um eine gesamtstaatliche Aufgabe", verlangt Städtebund-Präsident Schramm. Ein weiteres Beispiel: der vom Bund geplante Rechtsanspruch für unter Dreijährige auf einen Kindergartenplatz ab 2013. "Der Bund will 4,5 Milliarden Euro für 750 000 Kindergartenplätze zahlen - benötigt werden aber 1,2 Millionen Plätze", rechnet Petra Roth vor. Sie verlangt, "den tatsächlichen Bedarf festzustellen und die Kosten neu zu berechnen".

Mit der Resolution der Verbände wird sich nun die Gemeindefinanzkommission befassen. Dabei wird sie wohl auch einen Satz des Münchner Oberbürgermeisters Ude im Ohr haben: "Auf Almosen vom Bund lassen wir uns nicht vertrösten."

Meinung

Contra Steuer

Pro Steuer

Es ist nicht einzusehen, warum manche Dienstleister Gewerbesteuer zahlen müssen und andere nicht. Steuerrechtlich gesehen gibt es keinen Unterschied etwa zwischen einem Unternehmensberater, der - sofern er nicht studiert hat - keinen Freiberuflerstatus hat, und einem Steuerberater, der zu den Freiberuflern zählt und keine Gewerbesteuer zahlen muss. Werden einige Berufe privilegiert, müssen zudem andere Berufsstände das ausgleichen und verhältnismäßig mehr Gewerbesteuer zahlen. Die IHK ist dagegen für ein einfaches Steuerrecht, möglichst ohne Ausnahmen, nur so könnten die Steuersätze für alle möglichst niedrig gehalten werden. Gewerbesteuer zahlen zu müssen, wäre natürlich einmal eine Umstellung für die Freiberufler. Aber jeder andere Dienstleister, auch ein Kleiner, muss mit dieser Steuer zurechtkommen. Arne Rössel ist Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Trier. (woc) Dass die freien Berufe von der Gewerbesteuer befreit sind, ist historisch gewachsen und darf nicht einfach geändert werden. Anders als etwa Handwerker benötigen Steuerberater, Architekten oder Ärzte keine besonderen Gewerbeflächen oder andere teure Infrastruktur. Freiberufler belasten daher die Gemeindekassen weniger. Würde die Gewerbesteuer ausgeweitet, müsste das in die Honorare einfließen - was den Arztbesuch noch teurer machen würde. Und Architekten, die für Kommunen tätig sind, müssten sich die Gewerbesteuer über höhere Rechnungen wieder aus der Gemeindekasse zurückholen. Mein Vorschlag: Die Gewerbesteuer komplett abschaffen und die Kommunen stattdessen an der Umsatzsteuer beteiligen - die müssen ohnehin, außer den Ärzten, alle zahlen. Josef Ludwig ist Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in Trier sowie Vize-Präsident der rheinland-pfälzischen Steuerberaterkammer (woc)

Meinung

Contra Steuer

Pro Steuer

Es ist nicht einzusehen, warum manche Dienstleister Gewerbesteuer zahlen müssen und andere nicht. Steuerrechtlich gesehen gibt es keinen Unterschied etwa zwischen einem Unternehmensberater, der - sofern er nicht studiert hat - keinen Freiberuflerstatus hat, und einem Steuerberater, der zu den Freiberuflern zählt und keine Gewerbesteuer zahlen muss. Werden einige Berufe privilegiert, müssen zudem andere Berufsstände das ausgleichen und verhältnismäßig mehr Gewerbesteuer zahlen. Die IHK ist dagegen für ein einfaches Steuerrecht, möglichst ohne Ausnahmen, nur so könnten die Steuersätze für alle möglichst niedrig gehalten werden. Gewerbesteuer zahlen zu müssen, wäre natürlich einmal eine Umstellung für die Freiberufler. Aber jeder andere Dienstleister, auch ein Kleiner, muss mit dieser Steuer zurechtkommen. Arne Rössel ist Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Trier. (woc) Dass die freien Berufe von der Gewerbesteuer befreit sind, ist historisch gewachsen und darf nicht einfach geändert werden. Anders als etwa Handwerker benötigen Steuerberater, Architekten oder Ärzte keine besonderen Gewerbeflächen oder andere teure Infrastruktur. Freiberufler belasten daher die Gemeindekassen weniger. Würde die Gewerbesteuer ausgeweitet, müsste das in die Honorare einfließen - was den Arztbesuch noch teurer machen würde. Und Architekten, die für Kommunen tätig sind, müssten sich die Gewerbesteuer über höhere Rechnungen wieder aus der Gemeindekasse zurückholen. Mein Vorschlag: Die Gewerbesteuer komplett abschaffen und die Kommunen stattdessen an der Umsatzsteuer beteiligen - die müssen ohnehin, außer den Ärzten, alle zahlen. Josef Ludwig ist Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in Trier sowie Vize-Präsident der rheinland-pfälzischen Steuerberaterkammer (woc)

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