Kommunen sollen Reformgewinner werden

Mit Bürgerbüros soll die Verwaltung künftig möglichst nah am "Kunden" Aufgaben erledigen, und Zuständigkeiten sollen verstärkt auf Kommunen übergehen. Das versprach Ministerpräsident Kurt Beck bei den ersten öffentlichen Vorschlägen für eine Kommunalreform. Die CDU sieht das Projekt bereits im Ansatz als halbherzig und gescheitert an.

Mainz. Wenige Tage vor dem ersten Bürgerkongress zur geplanten Kommunalreform hat die Landesregierung nach monatelanger Aufgabenkritik erstmals handfeste Vorschläge für eine Neuordnung der Verwaltung vorgelegt. Gestärkt werden soll vor allem die kommunale Seite. Neben neuen polizeilichen Befugnissen wie Verkehrsüberwachung und Zuständigkeiten beim Waffenrecht wird Verbandsgemeinden und Städten auch wieder ein stärkeres wirtschaftliches Engagement zugestanden. Damit können sie im Energieversorgungsbereich Verbünde und auch auf anderen Feldern Kooperationen über die Gemeindegrenzen hinweg eingehen.Heimaufsicht nicht zu den Landkreisen?

Verwaltungszuständigkeiten für die Gebiete Umweltschutz und Wasserwirtschaft sollen bei den Kreisen und kreisfreien Städten gebündelt, die Aufgaben der Sozialhilfe auf der Ebene der Verbandsgemeinden zusammengeführt werden. Herausgenommen worden sind aus der 65 Punkte umfassenden Liste gegenüber der ursprünglichen Vorgabe die Aufgabenverlagerung für Angelegenheiten der Behinderten von den Versorgungsämtern zu den Kreisverwaltungen. Die Zuständigkeiten für den ländlichen Raum bleiben vorerst bei der Agrarverwaltung, Naturschutzgebiete sind weiter Sache des Umweltministeriums. Entgegen ihrer Forderung werden die Landkreise nicht die Heimaufsicht von den Landesbehörden erhalten. Dass die Kindertagesstätten bei den Ortsgemeinden verbleiben, die Zuständigkeit für das Personal jedoch zu den Verbandsgemeinden geht, ist laut Innenminister Karl Peter Bruch ein Kompromissvorschlag.Die Vorschlagliste ist zwar mit den kommunalen Spitzenverbänden Städtetag, Landkreistag und Gemeindebund abgesprochen, allerdings ging es in den bisherigen Gesprächen nicht um das Thema Gebietsreform, also den möglichen Neuzuschnitt kommunaler Grenzen. Nach den landesweit fünf Bürgerkongressen sollen die endgültigen Eckpunkte der Verwaltungsreform vorgestellt werden.Kommunale Landkarte ist in Arbeit

Kritik an der Entscheidung der unabhängigen Organisationsteams, die Kongresse während der Arbeitsphase nicht presseöffentlich zu veranstalten, wies Beck zurück. Es solle vermieden werden, dass Wortmeldungen zu sehr mit Blick auf die Medien erfolgten oder unterblieben. Noch vor der Kommunalwahl im Juni 2009 soll es laut Beck klare Vorgaben für die Reform einschließlich einer neuen kommunalen Landkarte geben. Sollte es zu neuen Gebietszuschnitten bei Kreisen oder Verbandsgemeinden kommen, werden sie sich nach Angaben des Regierungschefs nicht einfach nach Bevölkerungszahlen oder Richtgrößen orientieren. Es sei nicht notwendig, alles wegzuwischen, regionale Bindungen zu kappen und dann überall Außenstellen einzurichten, so Beck. Heftige Angriffe richtete er an die CDU, die sich aus seiner Sicht bislang destruktiv verhält und keine Antworten gibt. Notwendig sei dagegen eine gemeinsame Reform mit "befriedendem Charakter".Wenn die Vorschlagsliste Kern einer großen Kommunalreform sein solle, drohe das Projekt grandios zu scheitern, kritisierte dagegen CDU-Chef Christian Baldauf. Die Ministerien geben aus seiner Sicht kaum Kompetenzen ab. FDP-Fraktionschef Herbert Mertin monierte, die Vorschläge schwächten die Ortsgemeinden.Am kommenden Samstag findet der erste von landesweit fünf Bürgerkongressen zur Kommunalreform in Ludwigshafen statt. Für die Region Trier ist eine Veranstaltung am 31. Mai in der Römerstadt angesetzt. Meinung Nur ein erster Schritt Schlank soll die Verwaltung sein, bürgernah und effizient. Die grundlegenden Anforderungen verlangen keinesfalls eine Quadratur des Kreises. Dennoch hat sich die Landesregierung überaus schwergetan, endlich einmal ernstzunehmende Vorschläge vorzulegen, nachdem eine erste 33-Punkte-Liste vor einem Jahr inhaltlich eher peinlich unbedeutend war und nur verständnisloses Kopfschütteln ausgelöst hatte. Ministerien und Landesämter hatten schlicht keine Kompetenzen abgeben und sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren wollen. Dabei muss jedem klar sein, dass "die Treppe von oben nach unten zu kehren ist", um Zuständigkeiten zu den Kommunen zu verlagern. Nun wurde entsprechend mehr Druck gemacht und zumindest einiges Zählbare vorgelegt. Die Vorschläge in Richtung Kommunalpolizei sind bemerkenswert, eine Neuordnung der Schulträgerschaften aus Gründen des Schülerschwundes unumgänglich und die Bündelung zentraler Aufgaben bei den Kreisverwaltungen überfällig. Auch ist unstrittig, dass alle publikumsintensiven Aufgaben bei der Verbandsgemeinde am besten aufgehoben sind. Doch klar dürfte auch sein, dass die Vorschlagsliste nur ein erster Schritt hin zur Reform sein kann. Widerstände in der Verwaltung, der Zuständigkeitsstreit vor allem zwischen Verbandsgemeinden und Kreisen sowie die Frontstellung der beiden großen Volksparteien haben den Reformwillen merklich erlahmen lassen. Dabei sind wichtige Punkte noch gar nicht angepackt, wie etwa die Vielzahl von doppelten Verwaltungsstrukturen an einem Standort, wenn Stadtverwaltung und Verbandsgemeindeverwaltung fast Tür an Tür residieren. Heikel dürfte die Diskussion auch werden, wenn kleine Kreise, kreisfreie Städte oder Verbandsgemeinden auf den Prüfstand gestellt werden, weil sie der Bevölkerungsrückgang weiter dezimiert. Die spannenden Punkte der Kommunalreform kommen noch - wenn man sie nicht vorher aus Angst vor der eigenen Courage unter den Tisch fallen lässt. j.winkler@volksfreund.de extra Verlagerung von Aufgaben: Die Vorschläge der Landesregierung zur Verwaltungungsreform sehen Aufgabenverlagerungen zwischen Landesämtern, Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion ADD (Trier), Struktur- und Genehmigungsdirektionen SGD (Koblenz, Neustadt) sowie Landkreisen (auch kreisfreien Städten) und Verbandsgemeinden (VG) vor: Verkehrsüberwachung (von Polizei an Kreise und VG) Trägerschaft weiterführende Schulen (von VG an Kreis) Trägerschaft Grundschule (von Ortsgemeinde an VG) Namensänderungen (von Kreis an VG) Eintragung Lebenspartnerschaft (von Kreis an VG) Aufgaben untere Jagdbehörde (von Kreis an VG) Führerscheinbehörde (von Kreis an VG) Aufgaben Landwirtschaftsverwaltung (von ADD an Kreis) Zuständigkeiten Gewerberecht (von Kreis an VG) Sozialhilfe-Angelegenheiten (Bündelung bei Kreis) Jugendhilfe (Bündelung bei Kreis) Ernennung Wahlleiter (von ADD an Landeswahlleiter) Bodenschutz-/Umwelt-Angelegenheiten (von Landesamt und SGD an Kreis) Wasserwirtschaft (von SGD an Kreis) (win)

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