Koste es, was es wolle

Deutschland ist das Land der Standards. Anders formuliert: Nichts funktioniert so gut, dass man hierzulande nicht noch ein paar neue Regularien und zusätzliche Vorschriften dafür erfinden könnte. Selbstverständlich immer mit dem allerbesten Willen, unter Berücksichtigung neuester Erkenntnisse und des aktuellen Stands der Technik. Die Feuerwehren sind dafür ein gutes, aber beileibe nicht das einzige Studienobjekt. Man braucht nur einen Bürgermeister oder Dezernenten zu fragen, schon wird man überschüttet mit Beispielen schier unglaublicher Regulierungswut. Wer erinnert sich nicht an die französischen Offiziers-Kindergärten in Trier, die mit Millionen-Aufwand umgebaut werden mussten, um sie bundesdeutschen Vorschriften anzupassen. Jeder Bürgersteig im Dorf, jedes Mäuerchen auf dem Friedhof, jeder Abstand beim Treppengeländer: Im öffentlichen Raum ist stets maximale Sicherheit gefragt, koste es, was es wolle. Genau da liegt das Problem. Niemand traut sich, die notwendige Abwägung zwischen Kostenaufwand und Risiko zu treffen. Versicherungen und Experten geben die Ideallinie vor, Bundes- und Landesgesetzgeber münzen sie in verbindliche Vorschriften um - und vor Ort darf dafür gezahlt werden. Wer es wagt, das System in Frage zu stellen, setzt sich dem Verdacht aus, das Wohlergehen der Bürger liege ihm nicht hinreichend am Herzen. Wobei die Bürger solcherlei Verwaltungshandeln selber provozieren. Wer heute auf der Straße stolpert und hinschlägt, geht nicht mehr zum Arzt, sondern zum Rechtsanwalt - irgendwo wird es ja wohl einen geben, den man (mit Rechtsschutzversicherung gratis) auf Schadenersatz verklagen kann. Konsequenterweise verwenden öffentliche Institutionen die Hälfte ihrer Energie und ihres (genauer: unseres) Geldes darauf, ihr Handeln so abzusichern, dass es einer Klage standhält. So ruinieren wir uns fröhlich weiter. Zugegebenermaßen unter maßgeblicher Anfeuerung durch die Medien, die auch immer als erstes nach jemandem suchen, der schuld ist. Was heißt das für die Feuerwehr? Man sollte sie in Ruhe arbeiten lassen. Und wenigstens ein bisschen darauf vertrauen, dass Menschen, die seit Jahren ihre Freizeit für die Sicherheit aller opfern, von sich aus wissen, was nötig ist, um vernünftig zu arbeiten - mindestens so gut wie Versicherungsexperten oder Ministerial-Bürokraten. d.lintz@volksfreund.de

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