Krieg der Stellvertreter

Im Libanon schweigen nach fast sechs Wochen vorerst die Waffen. Nun bilanzieren die militärischen Befehlshaber beider Seiten das Blutbad aus Sicht kühl kalkulierender Technokraten, wie es alle professionellen Kriegshandwerker tun.

Und so zynisch es angesichts des absurden Blutzolls der Zivilbevölkerung erscheinen mag, die Kontrahenten werden dem Verlauf der Gefechte jeweils positive Aspekte abgewinnen können. Der Hagel israelischer Bomben, die Kommando-Einsätze im libanesischen Hinterland und die Vorstöße der hochmodern ausgerüsteten Armee haben die Strukturen des Gegners sicher nachhaltiger beschädigt, als es die verquaste Durchhalte-Propaganda der islamischen Extremisten glauben machen will. Die Hisbollah wiederum wird sich in der arabischen Welt als Sieger feiern lassen: Sie hat bewiesen, dass sie der Militärmaschinerie Israels lange Zeit harten Widerstand bieten und ihr darüber hinaus empfindliche Schläge versetzen kann - der Einsatz von Marschflugkörpern gegen israelische Schiffe und der Abschuss mehrerer Panzer durch Präzisionswaffen hat die Führung in Jerusalem nach eigenem Bekunden regelrecht schockiert. Kurz: Die Hisbollah stellt im Vergleich zur palästinensischen Fatah eine ernst zu nehmende Bedrohung des jüdischen Staates dar. Dennoch zeigt der jetzt unterbrochene Waffengang alle Kriterien asymetrischer Kriegsführung. Einer regulären Armee stehen schwer bewaffnete Einheiten gegenüber, die sich in Guerilla-Taktik unter die Bevölkerung mischen und nur schwer zu bekämpfen sind. Das lässt für die Zukunft Schlimmes befürchten. Denn dieser Konflikt kann sich bald als Test für einen weitaus größeren nach gleichem Muster erweisen: für eine Auseinandersetzung zwischen den USA und dem Iran, die im Hintergrund dieses Stellvertreter-Krieges die Strippen ziehen. r.jakobs@volksfreund.de

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