Krisentreffen unter internationaler Beobachtung

Es sollte ein Freundschaftsbesuch werden, es wurde ein Krisentreffen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker sprachen gestern über die wirtschaftliche Stabilität Europas.

Luxemburg. Frostig ist allenfalls das Wetter. Nicht aber die Begrüßung von Angela Merkel. Die fast schon obligatorischen Küsschen ihres Duz-Freundes Jean-Claude Juncker gehören ebenso zu dem herzlichen Empfang wie das freundschaftliche Streichen über Merkels Rücken. "Sehr aufmerksam von dir", sagt Merkel, als Juncker ihr einen schwarzen Mantel reicht.

Minus drei Grad zeigt das Thermometer an, als kurz nach halb elf die beiden Regierungschefs den roten Teppich und die fast hundertköpfige Ehrenformation der Luxemburger Armee auf dem Place Clairefontaine vor dem Amtssitz des Premierministers zu den Nationalhymnen beider Länder abschreiten. Er habe extra für Merkel die gesamte Luxemburger Armee antreten lassen, scherzt Juncker später bei der Pressekonferenz.

Es ist zum ersten Mal, dass Merkel mit militärischen Ehren empfangen wird. Zwar ist die Kanzlerin zuvor schon zwei Mal im Großherzogtum gewesen, zuletzt im Sommer 2007. Doch das sind nur Arbeitsbesuche gewesen. Dieses Mal sollte es eigentlich ein Freundschaftsbesuch werden. Merkel und Juncker wollten die guten nachbarschaftlichen Beziehungen, die bei dem durch den früheren Finanzminister Peer Steinbrück im vergangenen Jahr angezettelten Steuerstreit gelitten haben, wieder festigen.

Doch die Tagespolitik hat die beiden einflussreichen Europa-Politiker überrollt. Die Finanzkrise in Griechenland, der damit zusammenhängende Fall des Euro und die Idee eines Europäischen Währungsfonds hat aus einem Freundschaftsbesuch einen international beachteten Staatsbesuch gemacht. Fast 100 Journalisten, darunter die EU-Korrespondeten von ARD und ZDF, sind eigens nach Luxemburg gekommen.

"Der deutschen Sprache fehlen die Worte"



Bevor diese die für sie wichtige Neuigkeit über die Schaffung eines Währungsfonds von Merkel und Juncker zu hören bekommen, loben beide Regierungschefs in der mittäglichen Pressekonferenz im noblen Versammlungszimmer des Außenministeriums zunächst einmal überschwänglich ihre Freundschaft. "Das persönliche Verhältnis und die bilateralen Beziehungen, die sind so exzellent, dass der deutschen Sprache die Worte fehlen", lobt Juncker nach dem 75 Minuten dauern-den Vieraugengespräch in seinem Büro die Bundeskanzlerin überschwänglich. "Es macht Spaß, mit dir zusammenzuarbeiten, und das soll auch in Zukunft zwischen Deutschland und Luxemburg so bleiben", gibt diese an Juncker zurück.

Zu einer Freundschaft gehöre es eben auch, dass es mal Verstimmungen gebe, sagt Juncker augenzwinkernd. In solchen Fällen bekomme man dann aus Trier "gute Ratschläge", was man besser machen könne, sagt die Kanzlerin während der Pressekonferenz. Gemeint sein dürfte damit der Trierer CDU-Bundestagsabgeordnete Bernhard Kaster. Er hat sich nicht nur während der deutsch-luxemburgischen Verstimmungen immer wieder für das Nachbarland starkgemacht. Auch in Sachen grenzüberschreitender Bahnverbindung ist er unermüdlich unterwegs. Kein Wunder also, dass er sich gestern, unmittelbar nachdem Merkel und Juncker zugesagt haben, sich für einen Ausbau der Strecke starkzumachen, zu Wort meldet und die Absichtserklärung beider Regierungschefs lobt. Genau wie der Trier-Saarburger Landrat Günther Schartz.

Bei den europapolitischen Journalisten findet das Thema Bahn verständlicherweise keine Beachtung. Während Merkel und Juncker auf Bourglinster in der Nähe von Grevenmacher zwei Stunden lang zu Mittag essen, berichten die Hörfunk- und Fernsehkorrespondenten live aus Luxemburg. Auch die Tagesschau schaltet um 14 Uhr vor den Amtssitz Junckers zur Brüsseler ARD-Korrespondentin Marion von Haaren.

Als Merkel und Juncker gegen halb drei im Mercedes mit dem Luxemburger Kennzeichen 35 vor dem Großherzoglichen Palast in der Innenstadt vorfahren, hat sich die internationale Presse schon verabschiedet. Auch für Juncker ist damit der Staatsbesuch beendet. Merkel trifft Großherzog Henri zu einer 15-minütigen Privataudienz. Mit Küsschen verabschiedet sich der Premierminister von der Bundeskanzlerin. Er macht sich allein und zunächst zu Fuß auf den Weg in sein Büro, bevor ihn ein Fahrer der Bundeskanzlerin in deren Dienstlimousine hundert Meter weiter zu seinem Dienstsitz fährt.

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