Krötenschlucken für den Koalitionsfrieden

Berlin · Schluckst du meine Kröte, schluck ich deine Kröte - nach dieser Devise hat das Bundeskabinett gestern zwei hoch umstrittene Gesetzesvorlagen verabschiedet. Auf die erste, das Betreuungsgeld, hat einzig die CSU gedrungen. Dafür muss die Union eine Förderung der Zusatz-Pflegeversicherung akzeptieren, die der FDP am Herzen liegt.

Berlin. Das von der CSU geforderte Betreuungsgeld und die von der FDP verlangte Zusatz-Pflegeversicherung sind vom Kabinett beschlossen worden. Nachfolgend die wichtigsten Details:Wer bekommt das Betreuungsgeld? Das Betreuungsgeld steht grundsätzlich allen Eltern zu, deren Kinder nach dem 31. Dezember 2011 geboren sind. Zwingende Voraussetzung ist aber, dass sie ihre Sprösslinge weder in eine Kita geben noch einer Tagesmutter anvertrauen. Die neue Sozialleistung steht Eltern auch dann zu, wenn sie arbeiten und ihr Kind privat betreuen lassen, zum Beispiel von einem Familienmitglied. Ab wann fließt wie viel Geld? Die Unterstützung fließt ab 2013. Eltern, deren Kinder dann ein Jahr alt sind, bekommen monatlich 100 Euro vom Staat. Ab 2014 sollen 150 Euro für Eltern mit ein- und zweijährigen Kindern fließen. Das Betreuungsgeld wird für einen Zeitraum von maximal 24 Monaten pro Kind gezahlt. Gibt es Sonderregelungen? Ja. Hartz-IV- und Sozialhilfempfänger gehen beim Betreuungsgeld leer aus. Die Prämie wird komplett mit diesen Transfers verrechnet. Grund ist die deutsche Sozialgesetzgebung. Zusätzliche Einkünfte mindern demnach grundsätzlich den Regelsatz, der das Existenzminimum sichern soll. Freuen können sich dagegen Alleinerziehende. Um sie nicht in bestimmten Fallkonstellationen gegenüber Eltern-Paaren zu benachteiligen, ist ein doppelter Bezug von Elterngeld und Betreuungsgeld im 13. und 14. Lebensmonat eines Kindes auch bei ihnen möglich. Was ändert sich in der Pflegeversicherung? Für die gesetzliche Pflegeversicherung bleibt es bei den schon länger geplanten Leistungsverbesserungen. Weil diese Versicherung aber trotzdem nicht ausreicht, um die Pflegekosten (besondere in Heimen) zu decken, will Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) nach dem Vorbild der Riester-Rente auch ein Zwei-Säulen-System im Pflegebereich schaffen. Mit einer kleinen Pauschalförderung sollen die Bürger zum Abschluss einer privaten Zusatz-Police animiert werden. Wie funktioniert der Pflege-Riester? Wer als gesetzlich oder privat Versicherter zusätzlich für den Pflegefall vorsorgen will, bekommt dafür einkommensunabhängig eine staatliche Unterstützung von 60 Euro im Jahr. Zusammen mit den eigenen Beiträgen - mindestens 120 Euro im Jahr - soll die Förderung in eine sogenannte Tagegeld-Versicherung fließen, aus der dann je nach Pflegestufe eine bestimmte Summe ausgezahlt wird. Den Umfang des Versicherungsschutzes kann jeder selbst bestimmen. Allerdings müssen in der höchsten Pflegestufe mindestens 600 Euro im Monat privat abgesichert sein, um die Förderung zu bekommen Sind auch Altverträge förderfähig? Die meisten Altverträge erfüllen die Förderkriterien für den Pflege-Riester nicht. So dürfen Versicherer künftig nicht mehr überprüfen, ob der Antragsteller eine schwere Erkrankung hat. Auch dürfen sie keinen Interessenten ablehnen, es sei denn, er ist schon ein Pflegefall. Für die Kalkulation der Versicherungswirtschaft darf nur das Lebensalter herangezogen werden. Eine Altersbeschränkung gibt es nicht. Allerdings müssen mindestens fünf Jahre lang Beiträge gezahlt werden, ehe die Zusatz-Versicherung im Pflegefall einspringt. Was kostet eine geförderte Police? Das ist noch unklar. Grundsätzlich gilt: je älter der Antragsteller, desto teurer wird es für ihn. Ein 25-Jähriger, der alle drei Pflegestufen zumindest teilweise absichern will, zahlt gegenwärtig etwa elf Euro im Monat. Bei einem 45-Jährigen sind es schon 29 Euro. Die Prämien dürften aber steigen, weil die Versicherer wegen der strengen Förderkriterien praktisch keine Auswahl mehr treffen können. Können die Regierungspläne noch scheitern? Das ist sehr unwahrscheinlich, denn sowohl das Betreuungsgeld als auch der Pflege-Riester sind nach Überzeugung der Regierung nicht von der Zustimmung des Bundesrates abhängig, wo die Opposition eine Blockademehrheit hat. Änderungen im nun beginnenden parlamentarischen Verfahren sind aber noch möglich. Das gilt vor allem beim Betreuungsgeld, über das auch zahlreiche Abgeordnete der Regierungsparteien nicht glücklich sind. Beide Neuregelungen sollen Anfang 2013 in Kraft treten.

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