Kuddelmuddel beim Kindergarten

BERLIN. Schon die alte Bundesregierung hatte sich öfter im Paragraphen-Dschungel verirrt. Nun führt die große Koalition den gesetzgeberischen Kuddelmuddel fort – diesmal bei den Kinderbetreuungskosten.

Wenn das schwarz-rote Kabinett heute den Gesetzentwurf zu dem in Genshagen beschlossenen Konjunkturpaket verabschiedet, dann ist sein Paragraph 4f bereits Makulatur. Dort werden die Modalitäten zur Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten festgelegt. Aber weder SPD noch Teile der Union sind darüber glücklich, weshalb nun ein handfester Familienstreit tobt.In Genshagen war die Welt noch in Ordnung

Zur Erinnerung: Ursprünglich wollte die zuständige Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) berufstätigen Eltern eine steuerliche Absetzbarkeit der Betreuungskosten vom ersten Euro an ermöglichen. Doch in der Union stieß der Plan auf Widerstand. So einigte man sich in Genshagen, die Ausgaben bis zum sechsten Geburtstag erst ab einer Schwelle von 1000 Euro an zu berücksichtigen.

Im Rahmen der von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) vorgegebenen Maximalkosten von jährlich 460 Millionen Euro wurde es deshalb möglich, den Absetzungsbetrag auf 4000 Euro zu erhöhen. Gegenwärtig können nur 1500 Euro für den Kindergarten-Besuch oder eine Tagesmutter geltend gemacht werden. Grundlage der neuen Lösung waren nicht familienpolitische, sondern arbeitsmarktpolitische Überlegungen. "Ziel des Gesetzes ist es, zusätzliche Beschäftigung und Wachstum auch in diesem Bereich zu fördern", heißt es in der Abschlusserklärung von Genshagen. Wenn besser verdienende Familien mehr Anreize zur Einstellung einer teuren Tagesmutter bekommen, dann, so das Kalkül, wird auch der Privathaushalt als Arbeitgeber gestärkt. Was die Arbeitsmarktpolitiker erfreute, rief die Familienexperten auf den Plan. Ihnen geht es darum, einkommensschwache Eltern besser zu stellen. Deren jährliche Kosten für einen Halbtagsplatz in der Kita liegen vielerorts unter 1000 Euro, sodass sie nicht von der Neuregelung profitieren könnten. Für allein Erziehende käme das Vorhaben sogar einer objektiven Verschlechterung gleich, denn sie können ihre Betreuungskosten heute schon ab 774 Euro absetzen.

In ihrer jüngsten Klausur in Mainz machten sich die Sozialdemokraten die familienpolitische Linie zu Eigen. Nach dem Willen von Parteichef Matthias Platzeck und Fraktionschef Peter Struck soll die 1000-Euro-Grenze fallen, was im Kostenrahmen natürlich eine geringere Absetzbarkeit zur Folge hätte. Im Finanzministerium geht man nur noch von 1500 bis 2000 Euro statt von 4000 Euro pro Jahr aus.

Die Förderung soll auch nicht verpuffen

Der Parlamentarische Geschäftführer der Union, Norbert Röttgen, kritisierte, dass der Sinn des Gesetzes nicht darin bestehen dürfe, für Eltern die vorhandenen Kindergartenkosten zu reduzieren. Die Förderung würde verpuffen, weil keine zusätzliche Beschäftigung entstünde. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer sympathisiert dagegen mit der SPD-Kehrtwende: "Es deutet viel drauf hin, dass der 1000-Euro-Sockel-Betrag fällt." Familienministerin von der Leyen wiederum nutzte die verworrene Situation, um eine alte Forderung des konservativen Unionsflügels neu aufzupolieren: Wenn die Kosten vom ersten Euro an absetzbar sein sollen, dann aber bitte für sämtliche Eltern. Alles andere "wäre zutiefst ungerecht", so von der Leyen.

Nach der Verabredung in Genshagen soll es dabei bleiben, dass die steuerliche Vergünstigung nur im Fall der Erwerbstätigkeit beider Eltern in einem Haushalt gewährt wird. "Die Ministerin will nun auch die Hausfrauen-Ehe besser stellen", klagte SPD-Fraktionsvize Nicolette Kressl gegenüber unserer Zeitung.

Nach dem Gesetzentwurf soll die Absetzbarkeit des Betreuungsaufwands über die Werbekosten abgewickelt werden. Das setzt voraus, dass sie berufsbedingt entstehen. Klar ist im Augenblick also nur, dass beide Regierungsparteien zu Nachbesserungen entschlossen sind.

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