Kükentod: Nach dem Schlüpfen in den Schredder

Berlin · Die Filme, die mit versteckter Kamera aufgenommen und ins Internet gestellt wurden, dürften vor allem für Tierfreunde kaum auszuhalten sein: Tausende Küken fallen lebendig von einem Fließband in die rotierenden Messer eines Häckslers. Stoppt die Politik jetzt die Grausamkeit?

Berlin. Bei den Küken handelt es sich um sogenannte Eintagsküken, von geschulten Mitarbeitern der Geflügelindustrie aussortiert, weil sie männlich sind und keine Eier legen können. Deswegen werden sie getötet. Nach offiziellen Angaben sind in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland über 420 Millionen dieser Küken geschreddert worden.
Männchen oder Weibchen - das entscheidet über Leben oder Tod. Für männliche Tiere hat die Industrie keine Verwendung, sie lassen sich auch schlecht mästen. Also kommen sie nach dem Schlüpfen in den Schredder oder werden vergast. Tierschützer nennen diese Praxis einen Skandal, von "Kükenmord" ist sogar die Rede. Immer wieder schleichen sie in die Brutfabriken und drehen heimlich Filme über das Leid der Tiere, um die Öffentlichkeit aufzurütteln. Inzwischen ist die Politik sensibilisiert, insbesondere dort, wo die Grünen die zuständigen Minister stellen.
So versuchte bereits 2013 das rot-grüne Nordrhein-Westfalen, das millionenfache Töten von Küken per Erlass zu stoppen. Doch die Vorgabe wurde Anfang dieses Jahres gerichtlich wieder kassiert. Darüber könne nicht die Verwaltung eines Bundeslandes entscheiden, heißt es.
Nun tagt seit gestern in Bad Homburg die Agrarministerkonferenz der Länder. Offiziell steht die Kükentötung zwar nicht auf der Tagesordnung. Doch es wird damit gerechnet, dass einzelne Bundesländer das Thema aufrufen werden. Hessen beispielsweise hat sich dafür ausgesprochen, die Tötung einzustellen und Alternativen zu suchen. Das wiederum beschreibt auch den Konflikt im Umgang mit der Kükentötung: Muss es einen sofortigen Stopp geben, und männliche Tiere dann mit durchgemästet werden? Oder soll darauf gewartet werden, bis es möglich ist, schon frühzeitig im Ei das Geschlecht eines Kükens zu bestimmen, um es dann anderweitig zu verarbeiten? Und das mit einer Methode, die verlässlich, kostengünstig und massenhaft anwendbar ist.
Auf Letzteres setzt Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU). Mitte Februar hatte er angekündigt, vor Ostern einen realistischen Zeitplan zum Ausstieg aus der Kükentötung vorlegen zu wollen. Nun steht Ostern vor der Tür, präsentiert hat Schmidt seinen Plan aber noch nicht.
Der Minister will erst noch die Ergebnisse eines Forschungsprojektes zur Früherkennung des Geschlechts prüfen, das der Bund seit sieben Jahren fördert. Ein Verbot der Kükentötung lehnt das Ministerium grundsätzlich ab, da dies nur zur Abwanderung von Betrieben führe.
Gestern brachten die Grünen dazu auch einen Antrag in den Bundestag ein. Sie wollen die Kükentötung beenden - nach "zeitnaher, angemessener Übergangsfrist". Agrarexperte Friedrich Ostendorff verweist auf das Tierschutzgesetz. In Paragraph 1 heiße es, dass niemand "einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf. Und die Wirtschaftlichkeit eines Verfahrens stellt mitnichten einen vernünftigen Grund dar", so Ostendorff.Extra

Schluss mit Schnabelkürzen bei Legehennen und dem Töten von männlichen Küken: Schon mit Blick auf die Verbraucher müsse die Eier-Industrie solche Praktiken abschaffen, fordert das rheinland-pfälzische Agrarministerium. "Die Haltungsform wird an der Ladentheke entschieden", sagte Staatssekretär Thomas Griese (Grüne) bei der Versammlung des Bundesverbands Deutsches Ei (BDE). dpa

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