Kümmerin Kraft gegen Rückenwind-Laschet
Düsseldorf · Ins Kanzleramt will sie nicht. In Nordrhein-Westfalen hat es die Straßenbahnertochter Hannelore Kraft aber bis zur Ministerpräsidentin gebracht. Der CDU-Landesvorsitzende Laschet ist nach der Wahl in Schleswig-Holstein zuversichtlich, sie von ihrem Platz zu verdrängen.
Düsseldorf (dpa) Für Hannelore Kraft ist es eine neue Erfahrung: Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin muss Wahlkampf aus der Defensive führen. 2010 nahm die SPD-Politikerin als Angreiferin Jürgen Rüttgers (CDU) den Posten des Regierungschefs ab. 2012 hatte sie leichtes Spiel gegen eine CDU, die mehr mit den Fehlern ihres ungeliebten Spitzenkandidaten Norbert Röttgen beschäftigt war als mit dem politischen Gegner.
Doch 2017 ist die Lage für Kraft völlig anders. Die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Armin Laschet ist der 55-Jährigen dicht auf den Fersen. Bei einer Direktwahl des Ministerpräsidenten würde Kraft den CDU-Mann laut Meinungsumfrage aus der vergangenen Woche zwar mit 49 zu 28 Prozent klar abhängen. Aber das ist zugleich ihr schlechtester Wert in dieser Legislaturperiode.
Die Amtsinhaberin:
Hannelore Kraft
Die Tochter eines Straßenbahners und einer Schaffnerin ("Wir sind von unserer ganzen Geschichte her eine wirkliche Ruhrgebiets-Familie.") wird im Jahr 2000 erstmals in den Düsseldorfer Landtag gewählt. Schon ein knappes Jahr später beginnt die Diplom-Ökonomin eine Blitzkarriere.
Als Rot-Grün 2005 in NRW abgewählt wird, kommt für Kraft eine entscheidende Bewährungsprobe: Als neue Chefin des stärksten SPD-Landesverbands und der Landtagsfraktion führt sie ihre deprimierte Partei engagiert durch die ungewohnte Oppositionsaufgabe. Nach der Wahl 2010 wagt sie das Experiment Minderheitsregierung und profiliert sich im Spiel mit wechselnden Mehrheiten.
Seit der vorgezogenen Wahl 2012 regiert Nordrhein-Westfalens erste Ministerpräsidentin mit einer komfortablen rot-grünen Mehrheit. Ihre Kritiker werfen Kraft vor, zu wenig Biss zu zeigen, um NRW im Ländervergleich besser zu positionieren. Als sie Ende 2013 einer möglichen Kanzlerkandidatur für die SPD eine klare Absage erteilt ("nie, nie"), erntet die SPD-Vizevorsitzende viel Kopfschütteln. Im Wahlkampf lebt Kraft sichtbar auf. Zugang zu Menschen findet die Mülheimerin mit dem unverkennbaren Ruhrpott-Dialekt leicht. Eisern bewahrt sich die verheiratete Mutter eines erwachsenen Sohnes in ihrer Großfamilie ("Mein Vater hatte acht Geschwister und irgendwann habe ich mal 36 Cousins und Cousinen gezählt.") einen Rest Privatleben, spielt Doppelkopf und fiebert mit Borussia Mönchengladbach. Der Deutschen Presse-Agentur sagte sie einmal: "Ich mache mit Leidenschaft Politik, aber ich agiere nicht wie ein Roboter."
Der Herausforderer: Armin Laschet
Armin Laschet geht mit Rückenwind von der Küste in den Wahlkampf-Endspurt.
Der Vorsitzende der NRW-CDU und Stellvertreter von Bundesparteichefin Angela Merkel will seine Partei bei der Landtagswahl am Sonntag zur Nummer eins machen.
Nach dem Wahlsieg der CDU in Schleswig-Holstein zeigt sich der 56-Jährige optimistisch. Es gebe auch in NRW eine deutliche Wechselstimmung, die Chancen für die CDU vier Monate vor der Bundestagswahl seien gut, sagt er. "Auch in NRW haben viele Menschen die rot-grüne Bevormundung satt."
Laschet war in NRW schon Integrationsminister (2005-2010), arbeitete für die CDU als Bundestagsabgeordneter und Europaparlamentarier. Laschet brachte den mit aktuell rund 130 000 Mitgliedern größten CDU-Landesverband wieder auf Vordermann, nachdem dieser unter Parteichef Norbert Röttgen 2012 auf ein Rekordtief von 26 Prozent abgestürzt war. Für Laschet ist es nicht leicht, sich zwischen der Amtsinhaberin und dem rhetorisch versierten FDP-Chef Christian Lindner zu profilieren.
Kritiker mahnen mehr bissige Attacke gegen Rot-Grün im Wahlkampf an. Der Spitzenkandidat aus Aachen hatte eine nicht-polemische, sachliche Tonlage angekündigt - und sich daran auch überwiegend gehalten. "Man kann hart in der Sache attackieren, aber man sollte nicht persönlich werden", betont er am Montag auch im WDR.
Angriffsfläche bietet vor allem die Innere Sicherheit. Laschet wirft der Landesregierung eine miserable Bilanz und Fehler vor, etwa mit Blick auf steigende Salafistenzahlen, No-Go-Areas in manchen Städten, den Terrorfall Anis Amri oder dem Umgang mit dem Kölner Silvesterdesaster. Auch bei Wirtschaft und Bildung müsse NRW wieder an die Spitze, sagt der studierte Rechtswissenschaftler und Journalist.
Der Katholik gilt als treuer Verteidiger der Merkel-Politik, auch in unruhigen Zeiten wie der Flüchtlingskrise. Merkels tatkräftige Wahlkampfunterstützung noch bis zum letzten Tag vor der Wahl ist ihm sicher.
Im Sommer 2012 war der damalige Vizeparteichef Landesvorsitzender geworden. Ende 2013 übernahm er auch die Führung der Landtagsfraktion. Jetzt geht es für den Vater dreier erwachsener Kindern um den Posten des Regierungschefs in Nordrhein-Westfalen.