Kündigung leicht gemacht

Empörung über die Barmer Ersatzkasse: Sie gibt auf ihrer Internetseite Arbeitgebern Tipps, wie sie Beschäftigte kündigen können. Die rheinland-pfälzische Sozialministerin Malu Dreyer ist empört.

Trier. "Kostenloser Test auf Schwangerschaftsdiabetes." Damit wirbt die Barmer Ersatzkasse derzeit auf ihrer Internetseite. Doch die Fürsorge für die werdende Mutter und ihr Kind wirkt geheuchelt, wenn noch bis vor einigen Tagen auf den gleichen Seiten eine Anleitung zur "Kündigung einer Schwangeren oder Mutter" gegeben wurde. Arbeitgeber konnten sich die Musterkündigung ("Leider müssen wir Ihnen hiermit das Arbeitsverhältnis… kündigen") auf der Internetseite der Krankenkasse herunterladen und an den entsprechenden Stellen ("Die Kündigung erfolgt aus den nachfolgenden Gründen…") ausfüllen. Auch eine "Abmahnung bei Fehlen" ("…seit… fehlen Sie unentschuldigt. Ein Grund dafür ist uns nicht bekannt") fand sich bis vor einigen Tagen unter der Rubrik "Für Arbeitgeber" auf den Internetseiten der Wuppertaler Ersatzkasse. Während die Musterformulare offiziell von der Seite verschwunden sind (im Internet sind sie noch immer leicht zu finden), erhalten Arbeitgeber auf der Homepage weiterhin Tipps, wie man etwa Alkoholkranken kündigen kann: "Auch Alkoholismus… und Drogensucht sind medizinisch gesehen Krankheiten, so dass auch diese Fälle unter den Aspekten der krankheitsbedingten Kündigung betrachtet werden müssen."

Allerorten Empörung



Statt Tipps, wie man Betroffenen im Betrieb helfen kann, was man eigentlich von einer Krankenkasse erwartet, gibt es Anleitungen, wie man sich ihrer entledigen kann. "Die Barmer geht damit zu weit", kritisiert Jürgen Dehnert, Sprecher der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in Rheinland-Pfalz. "Die gesetzliche Krankenversicherung ist in erster Linie für die Versicherten da - und kein Arbeitgeberanwalt", kritisiert der Gewerkschaftssprecher. Auch die rheinland-pfälzische Sozialministerin Malu Dreyer (SPD) ist empört. Die Musterkündigungen auf der Internetseite der Kasse seien "völlig inakzeptabel". "Als gesetzliche Krankenversicherung ist die Barmer Ersatzkasse Teil unseres Solidarsystems, das sich der Unterstützung besonders schutzwürdiger Mitglieder der Gesellschaft verschrieben hat", sagte Dreyer unserer Zeitung. Das Bereitstellen von Kündigungshilfen gehöre nicht zu den Aufgaben einer gesetzlichen Krankenkasse. Bei der Barmer hat man mittlerweile eingeräumt, dass die Formulare "unglücklich und missverständlich" waren. Man habe damit Kleinbetrieben nützliche Informationen geben wollen. Andere Kassen wie etwa die AOK, die Techniker Krankenkasse oder die DAK geben Arbeitgebern Informationen etwa zum Kündigungsschutz von Schwerbehinderten oder Schwangeren. Die DAK bietet Unternehmen auch Seminare zu "Problemlösungen für ihre tägliche Arbeit" an.

Meinung

Falsche Solidarität

Solidarität ist unser Markenzeichen. Das ist der Slogan der Barmer Ersatzkasse. Doch mit der Solidarität mit ihren Mitgliedern scheint es nicht so weit her zu sein. Statt die Versicherten, die Monat für Monat ihre nicht gerade niedrigen Beiträge an die Kasse überweisen, zu unterstützen, ihnen zu helfen, Krankheiten zu vermeiden oder schnell wieder gesund zu werden, sorgt man hinten herum dafür, dass Arbeitgeber Alkoholkranke, Schwerbehinderte, Schwangere oder Bummler schnell loswerden können. Das ist nicht Aufgabe einer gesetzlichen Krankenkasse, das grenzt an Missbrauch von Beitragsgeldern. Das Ganze als Missverständnis abzutun, ist eine Verhöhnung der Betroffenen. Und das, obwohl mit Birgit Fischer eine ausgewiesene Sozialpolitikerin und Sozialdemokratin an der Spitze der Kasse steht. b.wientjes@volksfreund.de

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