Kulturkampf ums Klo - Gesetz in North Carolina löst Protest aus

Charlotte · Ein Gesetz in North Carolina schreibt Transmenschen seit kurzem vor, welche Toilette sie zu benutzen haben. Der Protest ist groß. Selbst aus Deutschland kommt Widerstand.

Wenn Janice Covington Allison in ein Restaurant geht, fragt sie stets als erstes, ob sie die Damentoilette benutzen darf. Ist die Antwort ja, bleibt sie. „Wenn sie nein sagen würden, würde ich zur Tür hinausgehen und mein Geld woanders ausgeben.“ Bislang hat sich noch niemand geweigert. Janice ist eine Frau, aber in ihrer Geburtsurkunde ist als Geschlecht „männlich“ vermerkt. In Charlotte, wo die 69-Jährige lebt, ist es ihr deshalb seit kurzem verboten, in öffentlichen Gebäuden auf die Damentoilette zu gehen.

Das hat mit einem Gesetz zu tun, das der US-Bundesstaat North Carolina vor einigen Wochen verabschiedet hat. Es zwingt Transmenschen dazu, in Regierungsgebäuden, Gerichten oder Schulen jene Toiletten zu benutzen, die mit dem Geschlechtsvermerk in ihrer Geburtsurkunde übereinstimmen.

Als Transgender bezeichnet man Menschen, die sich nicht - oder nicht nur - mit dem Geschlecht identifizieren, das bei ihrer Geburt notiert wurde. In vielen US-Bundesstaaten können sie ihre Geburtsurkunde nur ändern lassen, wenn sie sich einer Operation zur Geschlechtsangleichung unterziehen. North Carolina gehört dazu. „Es gibt Menschen, die können eine solche Operation aber nicht machen lassen, weil sie gesundheitliche Probleme haben“, sagt Janice.

Sie ist ziemlich wütend auf den republikanischen Gouverneur des Staates. „Er und die Abgeordneten verbieten es mir, die Damentoilette in Gebäuden zu benutzen, für die ich Steuern zahle. Sie behaupten, Transmenschen sind Sexualstraftäter und Pädophile. Die Logik dieses Gouverneurs ist wirklich wahnwitzig.“

Die 69-Jährige hat schon viel gesehen in ihrem Leben. Trat mit 17 Jahren der Armee bei, kämpfte im Vietnam-Krieg, ging später nach San Francisco. „Ich hatte in einem Artikel gelesen, dass es dort Leute wie mich gibt. Damals hatten wir ja noch kein Internet. Über Transgender wurde nicht gesprochen, nicht mal über Schwule.“

Seitdem mag sich einiges verändert haben. Die USA sind liberaler geworden. Das zeigt sich etwa an der Entscheidung des Supreme Courts zur Ehe für alle. Aber North Carolina ist mit seinem Gesetz bei weitem kein Einzelfall. Eine Handvoll anderer Bundesstaaten verabschiedete in den vergangenen Monaten mit republikanischer Mehrheit ähnlich diskriminierende Maßnahmen. In Mississippi etwa ist es Unternehmen oder Kirchen seit kurzem erlaubt, Homosexuellen Dienstleistungen mit Verweis auf religiöse Gründe zu verweigern.

Wie Mississippi gehört North Carolina zum Bibel-Gürtel der USA, jenem Gebiet, in dem der evangelikale Protestantismus tief verwurzelt ist. „Wir haben sehr viel Jesus hier“, sagt Erica Lachowitz, eine Transfrau und eine der prominentesten Gegnerinnen des Gesetzes.

Charlotte, North Carolinas größte Stadt, ist eine aufstrebende Metropole. An allen Ecken ragen Kräne in die Höhe, in den gläsernen Fassaden der Hochhäuser spiegeln sich die Stahlträger neuer Bauten. Die Bank of America hat hier ihre Zentrale, zahlreiche andere Finanzinstitute und Unternehmen ebenso.

Die Bürgermeisterin hier ist Demokratin. Im Februar verabschiedete die Stadtverordnetenversammlung eine Anordnung, die unter anderem vorsah, dass Transgender selbst entscheiden dürfen, welche Toilette sie aufsuchen wollen. Das Gesetz auf Landesebene kassierte diese Regelung später ein.

Als die Stadtverordneten im vergangenen Jahr das erste Mal über das Thema debattierten, kochte der Hass hoch. Die Restaurantbesitzerin Juli Ghazi fand diese Stimmung unerträglich. Sie wollte ein Zeichen setzen und richtete in ihrer Pizzeria im Nordosten von Charlotte kurzerhand eine Unisex-Toilette ein. „Weil geschlechtsspezifische Toiletten manche in unangenehme Situationen bringen“, wie es auf einem Zettel heißt, den die 43-Jährige dort aufhängte. Das neue Gesetz empfindet sie als Schande. „Es macht Menschen in unserem Bundesstaat zu Bürgern zweiter Klasse. Das ist furchtbar.“

Die, die das Gesetz geschaffen haben, rechtfertigen es mit der Sicherheit in öffentlichen Toiletten und Umkleideräumen. Pat McCrory, der republikanische Gouverneur des Staates, erklärt es in einem Interview so: „Würden Sie wollen, dass es legal für einen Mann ist, in die Dusche Ihrer Tochter zu gehen, nur weil er im Geiste glaubt, dass er dem anderen Geschlecht angehört?“

Jene, die es betrifft, können darüber nur den Kopf schütteln. „Ich bin seit 13 Jahren eine vollständig angeglichene Frau, ich würde in der Männertoilette sehr fehl am Platz wirken“, sagt Candis Cox. „Du musst mit mir nicht einer Meinung sein, Du musst nicht mögen, was ich mit meinem persönlichen Leben angefangen habe, aber ich bitte darum, dass Du mich respektierst.“

Seit der Unterzeichnung sieht sich Gouverneur McCrory heftigen Protesten ausgesetzt. Musiker wie Bruce Springsteen und Ringo Starr sagten ihre Konzerte in North Carolina ab. Die Deutsche Bank und der Bezahldienst Paypal strichen ihre Pläne, in dem Bundesstaat neue Stellen zu schaffen. Mehrere Bürgerrechtsorganisationen reichten eine Klage ein. McCrory schwächte das Gesetz in Teilen ab, an der Regelung zu den Toiletten will er aber festhalten.

Das könnte sich aber bald erübrigen. Am Dienstag kippte ein Gericht ein ähnliches Verbot im Nachbarstaat Virginia. Ein Präzedenzfall. Dasselbe Gericht ist auch für North Carolina zuständig.

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