Kurt Beck muss eine schwere Entscheidung treffen

Der Justizskandal um Heinz Georg Bamberger (SPD) beschäftigt auch die rheinland-pfälzischen Politikwissenschaftler. Kernfrage: Wäre ein Rücktritt ein Befreiungsschlag für die SPD-Landesregierung oder würde sie ein solcher noch tiefer in Turbulenzen stoßen?

Mainz/Koblenz. Nach der Schlappe, die das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig dem rheinland-pfälzischen Justizminister Heinz Georg Bamberger bereitet hat, ließ sich die landespolitische Debatte über den Vorgang gestern auf einen Punkt zuspitzen: den möglichen Rücktritt des Ministers. Spannende Frage dabei: Wie würde sich ein Rücktritt auf die Landesregierung und ihr Vertrauenspotenzial beim Wahlvolk auswirken: Hilfreich oder schädlich?

Der Politologe Ulrich Sarcinelli von der Universität Koblenz-Landau: "Selbst bei einem Rücktritt ist nicht sicher, dass ein solches Thema nicht weiter im Wahlkampf präsent ist."

Sein Mainzer Kollege Gerd Mielke formuliert es so: "Wenn der Rücktritt eines Ministers als Bauernopfer empfunden wird, kann sich danach gleich die nächste Welle aufbauen. Und die gilt dann dem, der die Richtlinienkompetenz hat, dem Ministerpräsidenten."

Bambergers politisches Ende wird von der Opposition gefordert, nachdem das Bundesverwaltungsgericht die umstrittene Ernennung von Ralf Bartz zum Präsidenten des Oberlandesgerichts Koblenz aufgehoben hat. Ein Befreiungsschlag wäre ein Rücktritt nach Ansicht Mielkes allerdings nur, "wenn sich ein Fehlverhalten nahezu ausschließlich an dem betroffenen Minister festmachen lässt."

Weitere Faktoren für eine Amtsaufgabe: "Natürlich wird die politische Leistung gewichtet und die Schwere des Fehlers", so Mielke. "Eine Rolle spielt auch, ob ein Minister sich für das ihm vorgeworfene Vergehen schuldig fühlt."

Legt man diese Kriterien als Messlatte an, dürfte die Demission von Heinz Georg Bamberger aus SPD-Sicht noch nicht so schnell erfolgen. Nach allem, was aus SPD-Reihen nach außen dringt, genießt der Justizminister weiter starken Rückhalt in den eigenen Reihen.

Genossen legen einen Verteidigungsring an



Die Sozialdemokraten scheinen einen Verteidigungsring um ihren Parteifreund geschlossen zu haben. Ob es so bleibt, wenn sich die öffentliche Debatte noch verschärft? "Am Ende wird meistens ganz pragmatisch entschieden", erklärt Mielke. Will heißen: Partei und Regierungschef kalkulieren den politischen Preis - und handeln dann danach.

Der Politologe Ulrich Sarcinelli hat beobachtet, dass in Deutschland Politiker ohnehin stärker an ihren Ämtern festhalten als in Ländern wie Großbritannien. Das ist nicht ungefährlich: "Verzögerte Rücktritte führen durch die dann hochkommende politische Debatte oft zu einer Verschlimmbesserung der Situation." Sarcinelli hält die Lage Bambergers nach dem Leipziger Urteil für heikel: "Dass ein Justizminister als oberster Dienstherr der rheinland-pfälzischen Richter und Staatsanwälte dadurch an Autorität einbüßt, das ist keine Frage." Der aktuelle Justizskandal hat für ihn mehr Gewicht als die Debatte um die überteuerte Sanierung des Schlosshotels in Bad Bergzabern. Sarcinelli: "Der geringere politische Schaden entsteht für eine Regierung möglicherweise durch eine schnelle Übernahme der Verantwortung, etwa einen freiwilligen Rücktritt des Ministers."

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