Land greift in die Beamten-Spardose

Mainz · Das Land muss drastisch sparen - bis 2016 Jahr für Jahr 220 Millionen Euro. Nur so kann die Schuldenbremse eingehalten werden. Daher plant die Landesregierung nach Informationen unserer Zeitung, die sogenannte Kanther-Rücklage für Beamte aufzulösen.

Mainz. Wem ist sie noch ein Begriff, die sogenannte Kanther-Rücklage für Beamte? Sie war einst vom Bundesinnenminister Manfred Kanther eingeführt worden, jenem hessischen Christdemokraten, der später tief in den Sumpf der CDU-Spendenaffäre geriet.
Inzwischen liegt die Zuständigkeit für die "Kanther-Kasse" in den Händen des Landes. In Rheinland-Pfalz wurde von 1999 an ohnehin nur drei Jahre in den Topf eingezahlt, so die Regierung. Danach blieben die Beamten mit Abzügen verschont, zum Teil, weil sie ohnehin kaum Zuwächse verzeichneten. Dennoch ist die Rücklage millionenschwer. Derzeit beträgt sie 360 Millionen Euro. "Das Geld wird sukzessive bis 2020 in den Haushalt eingespeist", so Finanzminister Carsten Kühl (SPD) im Gespräch mit unserer Zeitung. Und dann kommt ein wichtiger Satz: "Das Geld bleibt zweckgebunden für die Versorgungsansprüche der Beamten." Diese steigen ohnehin stark an. Von daher kann das Land die Finanzspritze gut gebrauchen.
Helle Aufregung


Beim rheinland-pfälzischen Beamtenbund (dbb) sorgten die Pläne zunächst für helle Aufregung. Landesvorsitzende Lilli Lenz fasst ihre anfängliche Empörung in einen Vergleich: "Das ist so, als würden Eltern für ihr Kind einen Sparvertrag abschließen, mit dem sie den Führerschein und das erste Auto bezahlen wollen. Und zwischendrin gehen sie an das gesparte Geld heran, versprechen aber ihrem Kind, dass sie den Führerschein und das Auto irgendwie trotzdem finanzieren."
Vertrauen beschädigt


Bei den gut 62 000 Beamten beim Land und in den Kommunen kam diese Vorgehensweise nicht gut an. Lilli Lenz vom Beamtenbund sagt: "Bis heute ist ihr Vertrauen ziemlich beschädigt."
Was die Wogen letztlich nicht ganz so hoch schlagen lässt, ist die Tatsache, dass der Finanzminister verspricht, die gesparten Millionen auch wirklich für die Beamtenversorgung zu verwenden. Und: Von 2012 bis 2016 erhalten die Beamten im Zuständigkeitsbereich des Landes nur jeweils ein Prozent mehr Gehalt im Jahr.
Konsequenz des Sparkurses


Auch das ist eine Konsequenz des rot-grünen Sparkurses - und die sorgt mächtig für Ärger. Würde die Kanther-Rücklage hingegen weiter gezogen, hätten die Staatsdiener weitere 0,2 Prozentpunkte weniger in der Kasse - ihre Gehälter würden also nur noch um 0,8 Prozent steigen. Das würde die Beamten, die sich ohnehin benachteiligt fühlen, zusätzlich auf die Palme bringen. Dazu kommt, dass die eins vor dem Komma für die Gewerkschaften einen psychologischen Wert hat.
Für das Land springen sogar noch mehr als nur die 360 Millionen Euro heraus. Die 0,6 Prozentpunkte, die in drei Jahren bei den Beamtenbezügen dauerhaft eingespart werden, bleiben bestehen. Damit spart das Land weiter kräftig Geld.
Klar ist damit aber auch: Ursprünglich sollte die Kanther-Rücklage 2012 wiedereingesetzt werden. Das ist wohl vom Tisch.
In der Landesregierung werden derweil weiter die Sparschrauben angezogen. Besonders der Doppelhaushalt 2012/13 ist schwierig, weil viele Einsparungen erst später wirksam werden. Laut Finanzministerium liegen 70 Prozent Einsparvolumen durch den Koalitionsvertrag fest. Der Rest kommt unter anderem durch reduzierte Förderprogramme und globale Minderausgaben in den Ministerien herein. Am 25. Oktober will das rot-grüne Kabinett grünes Licht geben. Die für den Haushalt so wichtige Steuerschätzung kommt allerdings erst im November.
Steuermillionen sprudeln


Dabei könnten dem Land sprudelnde Steuerquellen aus der Misere helfen. Finanzminister Kühl hofft auf rund 300 Millionen Euro zusätzlich - im Vergleich zur ursprünglichen Finanzplanung. Eine neue EU-Finanzkrise würde sich indes verheerend auswirken. Der Sinn der sogenannten Kanther-Rücklage liegt darin, dass Beamte für ihre Altersversorgung ansparen. Dafür müssen sie jährlich auf 0,2 Prozentpunkte der Besoldungszuwächse verzichten, die ihnen infolge von Tariferhöhungen zustehen. Dieser vom Bund geschaffene Topf ist nicht mit dem Pensionsfonds zu verwechseln, mit dem das Land Vorsorge für seine Staatsdiener trifft. DB/red

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