Landesbeamte fühlen sich abgekoppelt

Trier · Die Angestellten im öffentlichen Dienst erhalten in diesem Jahr drei und im nächsten Jahr über zwei Prozent mehr Lohn- und Gehalt. Die Gehälter der Landesbeamten steigen nur um ein Prozent - und zwar jedes Jahr. Dagegen protestieren sie.

Trier. Harald Kruse kennt sich mit Recht und Gesetz aus. Er ist Leitender Oberstaatsanwalt in Koblenz. Als Chefankläger sorgt er dafür, dass mutmaßliche Täter vor Gericht kommen. Doch derzeit beschäftigt der Jurist in eigener Sache die Gerichte. Kruse hat seinen Dienstherrn verklagt, das Land Rheinland-Pfalz. Der Leitende Oberstaatsanwalt (Besoldungsgruppe R 3, brutto über 7000 Euro) wehrt sich dagegen, dass die Besoldung der Landesbeamten bis 2016 pro Jahr nur um ein Prozent steigt. Seine Argumentation: Eine Jahre im Voraus auf ein Prozent begrenzte Erhöhung bedeute in Zeiten von Wirtschafts- und Währungskrise eine Kürzung der Bezüge.
Das Verwaltungsgericht Koblenz gibt ihm recht. Kruses Besoldung verstoße gegen die verfassungsrechtliche Verpflichtung des Landes, seine Beamten angemessen zu entlohnen. Entschieden haben die Koblenzer Richter aber noch nicht. Sie haben das Bundesverfassungsgericht angerufen.15 laufende Musterverfahren


Ein solches Verfahren sieht das Grundgesetz vor, wenn ein Gericht ein Gesetz für verfassungswidrig hält, auf das es für seine Entscheidung ankommt.
Kruse ist nicht der einzige Landesbeamte, der gegen seinen Dienstherrn klagt. Laut rheinland-pfälzischem Beamtenbund laufen derzeit 15 Musterverfahren. Eines davon vor dem Verwaltungsgericht Trier. Die Verfahren ruhten derzeit, bis das Bundesverfassungsgericht wahrscheinlich im kommenden Jahr eine Entscheidung gefällt habe, sagt Malte Hestermann, Landesgeschäftsführer des Deutschen Beamtenbundes (DBB).
Der Unmut unter den 71 500 Landesbeamten sei groß, heißt es beim DBB. Vor allem, nachdem die angestellten Kollegen kürzlich eine deutliche Lohn- und Gehaltssteigerung erkämpft hätten. Die Angestellten erhalten in diesem Jahr drei Prozent (mindestens aber 90 Euro) mehr und im kommenden Jahr noch einmal 2,4 Prozent. "Da sind die Beamten in Rheinland-Pfalz längst abgekoppelt", sagt die DBB-Landeschefin Lilli Lenz. Das Land müsse die Ein-Prozent-Deckelung kippen "und nicht warten, bis Gerichte das tun". Genügend Geld sei jedenfalls vorhanden, so Lenz. Nicht nur im Vergleich zu den Angestellten würden die Beamten abgehängt, auch im Vergleich zu den Beamten in anderen Bundesländern und im Bund, sagt Ernst Scharbach, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GDP). Ein Polizeihauptmeister des mittleren Dienstes erhalte in Bayern pro Monat 383,32 Euro mehr als ein Polizeikommissar im gehobenen Dienst in Rheinland-Pfalz.Unterschiedliche Bezahlung



Dass die 16 Bundesländer ihre Beamten nicht mehr gleich bezahlen, trotz gleicher Anforderungen, das hat auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in seinem Besoldungsreport festgestellt.
Seit 2006 können die Länder entscheiden, ob und in welcher Form sie die Tarifabschlüsse für den öffentlichen Dienst für die eigenen Beamten übernehmen. Die Gewerkschaften können für die Staatsdiener keine Tarifverträge abschließen. In Rheinland-Pfalz hat die rot-grüne Landesregierung im Jahr 2011 beschlossen, dass bis 2016 die Beamtengehälter lediglich um ein Prozent pro Jahr steigen sollen. Hessen will demnächst diesem Beispiel folgen.
Laut DGB führt die unterschiedliche Beamtenbesoldung in den Bundesländern zu enormen Einkommensdifferenzen. So verdiente ein Oberstraßenmeister in Rheinland-Pfalz 36 800 Euro im Jahr, in Bayern sind es 39 633,89 Euro.
Auch der Gewerkschaftsbund sieht in Rheinland-Pfalz die "verfassungsrechtlichen Grenzen" verletzt.Verfassungsrechtliche Vorgaben


Das sieht man im zuständigen Finanzministerium allerdings anders. Die Besoldung der rheinland-pfälzischen Beamten entspreche den verfassungsrechtlichen Vorgaben, sagt Ministeriumssprecher Horst Wenner. Da "keine Abkopplung von der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse" gegeben sei, bestehe derzeit auch kein Bedarf zur Änderung der Ein-Prozent-Regelung.
Wie sich die Beamtenbesoldung nach 2016 entwickeln werde, das müssten Landtag und Landesregierung dann entscheiden, so der Ministeriumssprecher.

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