Landesverteidigung als Beruf

Der zum Wehrdienst verpflichtete Bürger in Uniform ist in Deutschland bald Vergangenheit. Doch nicht nur die Bundeswehr setzt künftig auf professionelle Kräfte in einer kleineren Armee. Die Strategen der Nato-Staaten denken um.

Berlin. Der Kampf Mann gegen Mann, Keule gegen Keule, ist lange vorbei und mit dem Ende des Imperialismus auch das Prinzip der großen Heere. Sie konnten ganze Landstriche verwüsten oder besetzen. Sie konnten auch Besetzungen verhindern, was notwendig war, solange zum Beispiel der Kommunismus Weltgeltung beanspruchte. Heute bringen die USA und Großbritannien nur noch mit Mühe genügend Leute auf, um ein mittelgroßes Land wie den Irak für ein paar Jahre halbwegs zu kontrollieren. Nicht zu reden von der Bundeswehr, die mit 4500 Soldaten in Afghanistan schon an ihrer Belastungsgrenze ist.

Zudem wird der Einsatz von Bodentruppen zu Hause nicht unterstützt, seit Vietnam nicht mehr. Es sind nicht nur die moralischen Bedenken, die die westlichen Armeen hindern, es ist auch eine objektive Entwicklung: Die Demografie. Der Wert des einzelnen Menschen, der in christlich-humanistischen Gesellschaften ohnehin hoch ist, ist durch den zunehmenden Mangel an Nachwuchs noch einmal gestiegen. Die westlichen Gesellschaften halten Verluste in größerer Zahl, Kanonenfutter, nicht aus. Aus Vietnam zogen sich die USA nach über 50 000 Toten zurück, aus dem Irak nach fast 5000. Zum Vergleich: Die iranischen Mullahs schickten bei dem völlig sinnfreien Krieg gegen den Irak Anfang der 80er Jahre rund 750 000 junge Männer in den Tod.

Die westlichen Gesellschaften antworten auf diese neuen Bedingungen mit zwei Entwicklungen, die auch die jetzt geplante Strukturreform der Bundeswehr kennzeichnen. Da ist zum einen die Technisierung, vor allem der Einsatz von Distanzwaffen wie Drohnen, Raketen oder Cruise Missiles. Im Extremfall, der schon täglich passiert, sitzen Leute in Containern in Texas vor Computerbildschirmen, steuern per Joystick eine Drohne über dem Hindukusch und lösen mit einem Klick die Bombe aus. Dann gehen sie in die Mittagspause.

Es entsteht eine Art Gleichgewicht des Schreckens, wie man es im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan derzeit hat. Der Westen kann dort die ihn bedrohenden Kräfte aus der Ferne für sich verlustfrei in Schach halten, ohne sie jedoch wirklich auszuschalten. Dieses Gleichgewicht freilich wird verändert, wenn sogenannte Schurkenstaaten ihrerseits zu Distanzwaffen greifen und versuchen, den Westen, inklusive Israel, auf seinem Boden zu attackieren. So wie Irans Präsident Ahmadinedschad, der am Sonntag eine weitreichende Bomben-Drohne namens "Botschafter des Todes" präsentierte. Die große Gefahr besteht darin, dass der Despot aus Teheran, wie andere Despoten auch, nicht versteht, dass der Westen keine Soldaten als Antwort schicken wird, wenn er angegriffen werden sollte. Sondern Raketen mit mächtiger Wirkung.

Die zweite Entwicklung ist die Professionalisierung des Kriegshandwerkes. Es wird aus der Gesellschaft ausgegliedert und Spezialisten überantwortet. Ob das private Sicherheitsfirmen sind wie Blackwater oder staatliche Berufsarmeen. Mit dem Fortfall der Wehrpflicht in vielen Nato-Staaten, jetzt auch in Deutschland, wird die Sicherheit zur bezahlten Dienstleistung, die junge Menschen für die alternden Gesellschaften anbieten. Und der Tod zum frei gewählten Berufsrisiko.

Die Gesellschaften selbst werden entmilitarisiert. Reservisten gibt es kaum noch, auch nicht mehr das Wissen um die Landesverteidigung. Sollte künftig ein Angriff drohen, werden die Bürger nicht zu den Waffen eilen - sondern ihre Autos in die Carports fahren.

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