Lange Verbundenheit zwischen Moskau und Damaskus

Moskau · Wird Präsident Wladimir Putin zu guter Letzt die Katze doch noch aus dem Sack lassen und auf der UN-Vollversammlung Ende September zwei Dinge klären: Wie stellt er sich eine Anti-Terror-Allianz gegen den IS vor? Und was treibt Moskau in den letzten Wochen dort unten eigentlich tatsächlich?

Moskau. Der Kreml dementiert westliche Hinweise auf verstärkte Militäraktivitäten in der Region regelmäßig. Doch seit der Annexion der Krim hat Russland ein Glaubwürdigkeitsproblem. Hinter den "höflichen Menschen" ohne Hoheitsabzeichen, die die ukrainische Halbinsel im letzten Jahr im Handstreich nahmen, verbargen sich zuletzt auch hochtrainierte Spezialeinheiten.
Kampf ums Überleben


Bringt sich Moskau für den Endkampf um Latakia in Stellung? Auch der Assad-Clan gehört zu der Glaubensgemeinschaft der dort ansässigen Alawiten. Russische Beobachter wollen nicht ausschließen, dass Moskau zurzeit eine Verteidigungslinie errichtet, um den Mittelmeerstreifen vor dem heranrückenden IS zu schützen. Russlands führender Außenpolitikexperte Fjodor Lukjanow geht davon aus, dass sich die islamistischen Kriegsparteien im Inneren später auf kleine territoriale Einheiten verteilen und ein ermüdender Kampf ums Überleben beginnt.
Die Verbundenheit zwischen Moskau und Damaskus reicht in die 1950er Jahre zurück. Die Sowjetunion rüstete die syrische Armee in den zurückliegenden 60 Jahren mehrfach komplett neu aus. Hunderttausende Syrer studierten seit Jahrzehnten an sowjetischen Hochschulen. Unzählige Mischehen entstanden. Damaskus wurde im Nahen Osten zum engsten Verbündeten. Inzwischen blassen auch diese Erinnerungen aus.
Für die Unterstützung des Regimes in Damaskus werden Sentimentalitäten von den russischen Medien jedoch immer noch gerne genutzt.

Eine Abkehr von Assad würde in Russland unter Putins Anhängern Fragen aufwerfen: Wieso lassen wir unseren alten Freund Assad fallen? Weil der Westen es will? Auf den ersten Blick wirkt die Treue sympathisch, doch versteckt sich dahinter auch jenes archaische Denken, das Russlands Entwicklung blockiert. Dieser breiten Klientel kann der Kremlchef jedoch nicht vor den Kopf stoßen.
Schon ein paar Prozente weniger Zustimmung in Umfragen versetzen den Kreml in helle Aufregung. Undenkbar geradezu vor dem Hintergrund der vorübergehenden Waffenruhe in der Ostukraine, mit der auch das Eroberungsprojekt "Neurussland" im Süden der Ukraine vorerst ad acta gelegt wurde. Putins Image als "Sammler russischer Erde" und unbeugsamer Anwalt eines vermeintlich vom Westen "entrechteten Russlands " nähme Schaden.
Auf die Idee käme Putin indes gar nicht.
Führende Rolle in der Welt


Wirtschaftliche Verflechtungen dürften als Motiv für die fortlaufende Hilfe inzwischen auch keine Rolle mehr spielen.

Mit der Präsenz unterstreicht Russland nichts anderes als den Anspruch auf eine führende Rolle in der Welt. Wenn nicht mehr als Weltmacht so doch als "Beinahweltmacht", meint der Islam Experte Alexei Malaschenko von der Carnegie Stiftung in Moskau. Vielleicht gelingt es Putin sogar, sich in New York einer neuen Anti-Terror-Koalition zu empfehlen. Auch wenn er sich da aufdrängen müsste. Der gemäßigten syrischen Opposition und den USA dürfte es nicht zusagen, Seite an Seite mit den Assad-Milizen gegen den IS vorzugehen. Zumal der Koalitionär zuerst das Regime in Damaskus retten würde.
In Syrien kann der Kremlchef zurzeit nicht viel falsch machen. Vorausgesetzt er vermeidet es, sich in einen Bodenkrieg verwickeln zu lassen. Auch Moskaus Afghanistankrieg begann "harmlos" mit einem Regimewechsel Ende der 1970er.
Die Auseinandersetzungen am Boden könnte der Iran übernehmen. Dessen Offiziere sollen ohnehin in der syrischen Armee den Ton angeben. Ein Schulterschluss mit Teheran würde die Beziehungen nach dem Atom-Deal vom Frühjahr zudem stärken und es davon abhalten, gen Westen zu schauen. Außerdem hätte sich Wladimir Putin wieder als ideenreicher Weltpolitiker präsentiert, dem mehr Achtung gebührte. Auf jeden Fall aber ein allmählicher Abbau der Sanktionen.
Im Nahen Osten wäre Russland dann als ein Ordnungsfaktor zurückgekehrt, zumal es im Moment auch mit Irans Erzfeind Saudi-Arabien turtelt.
Konzertiertes Vorgehen mit Russland gegen den IS wäre wünschenswert. Wenn die Gefahr nicht bestünde, dass die Kriegshandlungen durch Unterstützung Assads über Jahre fortdauern. Auch davon profitiert der Kreml: Europa würde der Ukraine noch weniger Aufmerksamkeit widmen und Gefahr laufen, von anhaltenden Flüchtlingsströmen aus dem Nahen Osten überfordert zu werden. Das würde Putins antieuropäische Haltung krönen.

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