"Lasst uns nicht übermütig werden"

Bis eben noch hat Karsten Voigt darüber orakelt. Jetzt, um Punkt 18 Uhr scheint es Gewissheit zu sein: Die SPD liegt in der ersten Hochrechnung hauchdünn vor der CDU. "Das ist eine Sensation", ruft der Sozialdemokrat.

Berlin. Im Berliner Willy-Brandt-Haus bricht ohrenbetäubender Jubel aus. Fast ein bisschen ungläubig starren die Genossen auf die farbigen Kurven. Dass es für Schwarz-Gelb in Düsseldorf nicht mehr reichen würde, ist eigentlich schon genug Anlass zum Feiern. Doch jetzt bahnt sich ein Triumph auf der ganzen Linie an. Das hatten selbst die größten Optimisten nicht wirklich erwartet.

Die beeindruckende Kulisse in der Parteizentrale der Sozialdemokraten passt zur prächtigen Stimmung. 1500 Gäste haben sich angemeldet. Es gibt Currywurst und Kartoffelecken mit Quark für 2,50 Euro. Bier und Wein kostet extra. Bei früheren Wahlen gab`s das umsonst. Die Partei muss sparen. Doch das stört an diesem Abend keinen. "Die SPD ist wieder da", ruft Hannelore Kraft gerade im Fernsehen. Und die Genossen sind völlig aus dem Häuschen. Dass die Werte zwischen 34 und 35 Prozent das schlechteste Wahlergebnis für die SPD in Nordrhein-Westfalen seit 1954 markieren, regt nur einige wenige zum Nachdenken an. "Vertrauen kann man nur langsam zurück gewinnen. Das braucht Zeit", sinniert eine ältere Dame. Fast vier Jahrzehnte lang war die SPD in Düsseldorf am Regierungsruder. Zwei Mal sogar mit absoluter Mehrheit. Bis Gerhard Schröder mit seiner Agenda-Politik und Hartz IV dazwischen funkte. Von da an ging es auch für die Genossen an Rhein und Ruhr abwärts.

All das scheint jetzt wie weggeblasen zu sein. Plötzlich fühlt es sich wieder nach Sieg an. "Das hat das Haus lange nicht gesehen und gehört", tönt Parteichef Sigmar Gabriel vorn auf der Bühne. Das ist auch ein guter Tag für Deutschland" sagt Gabriel. Nun müsse man dafür sorgen, dass die SPD eine Regierung in Düsseldorf bilden könne.

Nur mit wem, wenn es nicht für Rot-Grün reicht? Dazu sagt Gabriel kein Wort. Auch das Publikum ist darüber offenbar gespalten. Als der designierte Linksparteichef Klaus Ernst via Fernsehen die Bereitschaft seiner Partei bekundet, für einen "Richtungswechsel" in Düsseldorf "Regierungsverantwortung" zu übernehmen, nehmen es die allermeisten regungslos zur Kenntnis. Für die Linken ist der Einzug in den Düsseldorfer Landtag der endgültige Durchbruch auch in den alten Bundesländern. Insgesamt sind sie jetzt in 13 von 16 Landesparlamenten vertreten. Das sind genauso viele wie bei den Grünen.

Auch die Ökos sehen sich mit dem besten Wahlergebnis, das sie jemals in Nordhrein-Westfalen erzielt haben, schon am Kabinettstisch sitzen. "Das war ein Erdrutsch", erklärt Pareichf Cem Özdemir unter dem Jubel seiner Anhänger. Das "alte Projekt" mit der SPD werde es nicht mehr geben, sagen manche Grüne. Aber ein "Neuanfang" mit den Sozialdemokraten sei schon drin.

Der Wahlabend ist noch lang. Und Sigmar Gabriel hat für den Fall vorgebaut, dass es vielleicht doch nicht für Rot-Grün reicht: "Lasst uns nicht übermütig werden".

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