Letzte Hoffnung der Trump-Gegner: 37 Wahlmänner müssten das Lager wechseln, um den designierten Präsidenten noch zu stoppen
Washington · Eine letzte Hürde muss Donald Trump auf dem Weg ins Weiße Haus überwinden: Am Montag treffen sich die 538 Wahlmänner und -frauen. Sie entscheiden, ob der Geschäftsmann im Januar ins Weiße Haus einzieht.
Immerhin, einen Abtrünnigen gibt es bereits. Einer von 306 Wahlmännern, die eigentlich Donald Trump wählen müssten, hat in aller Öffentlichkeit Widerstand angekündigt.
"Man verlangt von mir, für jemanden zu stimmen, der täglich aufs Neue beweist, dass er nicht die nötige Qualifikation für das Amt besitzt", schrieb Chris Suprun schon vor zwei Wochen in einem Meinungsbeitrag für die New York Times. Das könne er nicht, fügte er an.
Im Übrigen sei noch längst nicht beschlossene Sache, dass der nächste Präsident Donald Trump heiße. Denn laut Verfassung seien die Wahlmänner allein ihrem Gewissen verpflichtet, argumentiert der Rettungssanitäter aus Texas. "Elektoren, die ihrem Gewissen folgen, können noch immer das Richtige für das Land tun."Ein Sturm im Wasserglas
Es wäre ein Wunder, sollte sich der Aufstand des Chris Suprun zu einer Revolte auswachsen, die einen Präsidenten Trump noch verhindert. Am Montag treffen sich überall in den USA die 538 Wahlmänner und -frauen, die darüber entscheiden, wer im Januar ins Weiße Haus einziehen wird. Nach einer ungeschriebenen Regel sind sie daran gebunden, wie der Souverän am 8. November abgestimmt hat. Etwa die Hälfte der Bundesstaaten hat ihre Elektoren auch de jure dazu verpflichtet, jenem Bewerber die Stimme zu geben, der in ihrem jeweiligen Staat die Nase vorn hatte. Die anderen kennen keinen solchen Zwang, worauf Leute wie Suprun ihre Hoffnung auf einen Paukenschlag gründen.
Nicht von ungefähr berufen sich die Dissidenten auf Alexander Hamilton, einen der Gründerväter der Republik. Dessen Name ist in aller Munde, seit am New Yorker Broadway ein überaus populäres Musical, für manche das populärste aller Zeiten, seine Geschichte erzählt. Hamilton also hatte einst in den "Federalist Papers" erklärt, das Wahlmännerkolleg sei mit Bedacht als eine Art Filter entworfen worden, damit das höchste Staatsamt "niemals an einen Mann fällt, der nicht in eminentem Maße mit den erforderlichen Fähigkeiten ausgestattet ist".
Beim Votum vor sechs Wochen hat Trump 306 Elektoren gewonnen, während Hillary Clinton auf 232 kam. Präsident wird, wer von mindestens 270 Mitgliedern des Electoral College gewählt wird. Ergo müssten 37 Wahlmänner das Lager wechseln, um Trump zu stoppen, und sich entweder für Clinton oder einen dritten Kandidaten entscheiden. Etwa für den Republikaner John Kasich, dem zum Beispiel Suprun den Zuschlag geben wird. Sollte die Zahl der Abweichler groß genug sein, um den Bauunternehmer die magische Marke 270 verfehlen zu lassen, müsste das Repräsentantenhaus die Sache entscheiden. Angesichts der klaren republikanischen Mehrheit in der Kammer wäre der Ausgang ziemlich klar, zumindest aber hätten die Rebellen ein Achtungszeichen gesetzt.
Nüchtern betrachtet, ist es wohl nur ein Sturm im Wasserglas. Das allerletzte Aufbäumen der Never-Trump-Bewegung, jener Republikaner, die bereits während der Vorwahlen verzweifelt - und mit der Zeit immer aussichtsloser - versucht hatten, den Kandidaten Trump aufzuhalten.
Dass die Debatte dennoch die Gemüter erregt, hat etwas mit Clintons klarem Plus beim "Popular Vote" zu tun. In der Summe erhielt die frühere Außenministerin 2,8 Millionen Stimmen mehr als ihr Widersacher, das ist mehr als das Fünffache des Vorsprungs, den Al Gore im Jahr 2000 vor George W. Bush hatte. Bei einer Direktwahl hätte sie unangefochten das Rennen gemacht. Kein Wunder, dass die enorme Diskrepanz zwischen "Popular Vote" und Elektorenstimmen einmal mehr den Ruf nach einer Reform des Wahlsystems laut werden lässt. Eines Systems, das der Filmemacher Michael Moore eine "obskure, schwachsinnige Idee aus dem 18. Jahrhundert" nennt. Eines Systems, das garantieren sollte, dass kleinere Bundesstaaten ihr Mitspracherecht gegenüber den größeren wahren.Mehrheit will die Direktwahl
In der Praxis hat es dazu geführt, dass eine im dünn besiedelten Wyoming abgegebene Stimme heute 3,6 Mal stärker ins Gewicht fällt als eine in Kalifornien, dem Bevölkerungsschwergewicht. Interessanterweise hat es seit dem Zweiten Weltkrieg kaum eine Umfrage gegeben, in der sich die Amerikaner nicht mehrheitlich für den Übergang zur Direktwahl ausgesprochen hätten.
Passiert ist nichts, weil die bevölkerungsärmeren Staaten nicht daran denken, eine Regelung abzusegnen, die ihren Einfluss schmälern würde. Und da sich an dieser Konstellation nichts ändern wird, ist auf absehbare Zeit kaum mit Reformen zu rechnen.