Letzte Hoffnung Reagenzglas

TRIER. Viele Paare wollen Kinder, bekommen aber keine - zumindest nicht auf natürlichem Weg. Marion und Wulf, ein junges Paar aus der Region, versuchen seit drei Jahren, Nachwuchs zu bekommen.

Heirat, Haus, Kinder - so stellen sich Marion und Ulf ihr Leben vor. Geheiratet haben sie vor drei Jahren. Ein Haus haben sie sich auch gekauft. Nur mit den Kindern hat es bislang nicht geklappt. Und das, obwohl sie seit ihrer Hochzeit "probieren". Zunächst finden sie das noch "ganz normal". Nach einem Jahr wird die 34-jährige Angestellte aber langsam verzweifelt. "Ich fragte mich, warum klappt das ausgerechnet bei uns nicht." Immer mehr Paare aus ihrem Freundeskreis bekommen Nachwuchs. "Ich habe überall Baby-Bäuche und Kinderwagen gesehen", sagt Marion. Ihr Mann, 35, Ingenieur, bleibt noch gelassen. "Ich dachte, das wird schon irgendwann mal." Doch bei Marion werden die Zweifel immer größer. "Von Monat zu Monat wurde meine Hoffnung geringer." Ein Teil ihrer Lebensplanung droht zu zerbrechen. Ein Leben ohne Kinder will und kann sie sich nicht vorstellen. "Wer denkt schon daran, dass die angeblich einfachste Sache der Welt so schwierig sein könnte", sagt Marion. Trotzdem macht ihr Frauenarzt ihr immer noch Hoffnung. Bei vielen Paaren "klappe" es nicht sofort. Die beiden legen sich ein "Ersatzkind" zu, Minki, eine Katze. "Damit habe ich etwas, um das ich mich wie eine Mutter kümmern kann." Dass Marion und Ulf zu den zwei Millionen Paaren in Deutschland gehören sollen, die ungewollt kinderlos bleiben, daran denken sie zunächst nicht. Doch als nach zwei Jahren immer noch nichts passiert, bricht Marion in der Praxis ihres Arztes in Tränen aus. Sie halte das ewige Hoffen und Bangen nicht mehr aus, sagt sie. Ihr Arzt beruhigt sie, gibt ihr eine Adresse einer "Wunschkind-Praxis". Lange diskutieren Marion und Ulf, ob sie wirklich hingehen sollen. "Wunschkinder - das hört sich so nach maßgeschneiderten Kindern an", sagt Ulf. In dieser Zeit gehen sie mit ihrem Problem "an die Öffentlichkeit", erzählen es ihren Eltern, die mit "viel Verständnis" reagieren. "Wir mussten es denen sagen, einfach, um der ständigen Frage aus dem Weg zu gehen: Na, wie sieht es mit Nachwuchs aus?", erzählt Marion. Sie reden aber auch mit engen Freunden. "Wir suchten uns die Leute aus, mit denen wir darüber sprachen." Dabei stellt sich heraus, dass fast jeder ein Paar kennt, das auch jahrelang auf eigene Kinder wartete oder ein "Wunschkind" aus dem Reagenzglas hat. Als sie das volle Wartezimmer in der "Wunschkind"-Praxis sehen, fassen sie wieder Mut: "Wir sahen, dass wir nicht die einzigen sind." Bevor die Behandlung beginnt, müssen sie viel über sich erzählen: Warum sie Kinder haben möchten, ob sie sich auch ein Leben ohne Kinder vorstellen können. Bei den Gesprächen geht es auch um die Kosten. Durch die Gesundheitsreform wird die künstliche Befruchtung nur noch zur Hälfte von den Kassen bezahlt und das nur bei drei Versuchen. Bis zu 2000 Euro kommen auf die Patienten zu. Daher versuchen es die Ärzte solange wie möglich mit "konventioneller" Unterstützung wie etwa der Hormonbehandlung.Anstrengende Behandlung und Sex nach Kalender

Drei solcher Zyklen hat Marion hinter sich, immer geht es ihr dabei schlecht. Nicht nur wegen der Anspannung, auch wegen der Tabletten und Spritzen, die sie bekommt. Außerdem ist Sex nach Terminkalender angesagt, immer, wenn sie einen Eisprung hat. "Spaß hat das nicht gemacht", sagt das Paar. Die ständigen Arzttermine bedeuten für Marion, dass sie häufig später zur Arbeit kommt. "Ständig musste ich mir Ausreden einfallen lassen. Man bindet seinem Chef ja nicht gerade auf die Nase, dass man dabei ist, ein Kind zu zeugen." Über ein Jahr sind die beiden nun in Behandlung, ein Jahr mit ständigem Hoffen. Bis jetzt erfolglos. Trotzdem machen sie weiter. Demnächst wollen sie es zum ersten Mal mit künstlicher Befruchtung versuchen. "Das Wichtigste ist", sagt Marion, "immer dran zu glauben, dass es klappt. Auch wenn es schwer fällt."

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