Liberale im Aufwind

Berlin · FDP-Chef Lindner stimmt seine Partei auf den Wiedereinzug in den Bundestag ein. Gleichzeitig warnt er vor zu viel Übermut. Die Fehler der Vergangenheit sollen sich nicht wiederholen.

Berlin. Detlef Parr ist ein liberales Urgestein. Seit über 40 Jahren ist er in der FDP, er saß für die Partei im Bundestag und ist jetzt Vorsitzender der liberalen Senioren. Parr hat viele Höhen und Tiefen miterlebt, auch den Absturz bei der Bundestagswahl 2013. Nun steht er oben auf dem Podium und ruft ins Mikrofon: "Es macht wieder Spaß, FDP-Parteitage zu besuchen!" Freundlich, fröhlich und optimistisch gehe es zu, grinst der 73-Jährige - und es klingt ein wenig Verwunderung mit. Was ist nur los mit der FDP?Knallige Parteifarben

Man könnte meinen, dass vor allem die Alten ein Problem damit haben, was ihnen an Neuem geboten wird: Die Parteifarben Blau und Gelb sind knalliger geworden, Parteitage wie in Berlin finden jetzt in "coolen locations" statt, also in einer alten Fabrikhalle. Und viele Delegierte tragen Turnschuhe oder "Sneakers" statt edler Lederschuhe. Die FDP inszeniert sich als Startup-Unternehmen. Das gefällt sogar den Altvorderen. Denn mit dem neuen Bild und der neuen Richtung ist der Erfolg zurückgekehrt. Und nichts ist den Liberalen wichtiger. "Die FDP hat wieder ihren Platz im Parteienspektrum", strahlt die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, auch ein liberales Urgestein. Ganz so ist es aber noch nicht. Zwar war die Partei bei den letzten fünf Landtagswahlen erfolgreich, in Rheinland-Pfalz ist sie per Ampelkoalition sogar an der Regierung beteiligt. Abgerechnet wird allerdings erst 2017 bei der Bundestagswahl. Die Umfragen sehen die FDP klar über fünf Prozent. Im Moment. Politik ist schnelllebig, Übermut wird meist hart bestraft. Die Liberalen können davon ein Lied singen. Also Vorsicht.Trendwende geschafft

"Wir haben uns ein Stück selbst befreit", erzählt Christan Lindner am Vorabend des Parteitages einigen Journalisten. Neuanfang braucht Veränderung, dafür steht Lindner auch ganz persönlich. Drei-Tage-Bart, brauner Teint, durchtrainiert, weiße Turnschuhe und lässige Jeans, so sehen heute FDP-Vorsitzende aus. Lindner spricht von einer "neuen Souveränität und Ernsthaftigkeit" der Partei. Auch ist plötzlich von "Demut" die Rede, ein Wort, das früher im Vokabular der Liberalen nicht vorkam. Mit Lindner an der Spitze ist die FDP in die Lücken gestoßen, die ihr andere Parteien scheinbar geboten haben: Bildung und Digitalisierung sollen nun der Markenkern sein, Modernität und Zukunftsoptimismus. Früher waren es die Steuer- und die Außenpolitik, auf die die FDP gesetzt hat. Über diese Themen verliert Lindner nur dann ein paar Sätze, wenn man ihn danach fragt. Strategisch kommt noch etwas hinzu: Mit ihrer Kritik an der Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Merkel hat sich die FDP als solide Alternative zu den Rechtspopulisten positioniert. Die Liberalen wollen laut Lindner bei der Bundestagswahl stärker werden als die AfD. Das sei "eine demokratische Pflicht. Wir sind das genaue Gegenteil der AfD. Wir wollen Mut machen, keine Angst verbreiten", begegnet Parteivize Wolfgang Kubicki dem Vorwurf, mit dieser Zielvorgabe schon wieder unvorsichtig zu werden. Laut Lindner ist die Trendwende geschafft. In seiner Rede auf dem Parteitag rechnet er vor allem mit Merkel, der Union und der SPD ab. Es werde nur noch ein "aus der Zeit gefallener Koalitionsvertrag" abgearbeitet. Hinter der Kritik verbirgt sich eine zentrale Botschaft: Die FDP will keine Funktionspartei mehr sein, sondern nur noch Überzeugungspartei. "Die Zeit der Leihstimmen ist für uns vorbei", ruft Lindner. Ganz schön selbstbewusst. Extra

… FDP-Landeschef Volker Wissing. Was kann die Bundespartei von Ihnen lernen? Wissing: Wir haben uns in Rheinland-Pfalz an den Sachthemen orientiert und gezielt auf die Übernahme von Regierungsverantwortung vorbereitet. Wir haben auch keinen Wahlkampf geführt, in dem wir andere diffamiert haben, sondern für unsere Ziele und Konzepte geworben. Das ist etwas, was ich allen empfehle. Ist die FDP im Bund seit den Landtagswahlen aus dem Gröbsten raus? Wissing: Sie ist auf einem guten Weg. Vertrauen in der Politik muss man zurückgewinnen. Das ist der FDP gelungen. Und dann muss man dieses Vertrauen halten, in dem man konsequent sachliche Politik betreibt und den Menschen die eigenen Schritte erläutert. Ihr Parteifreund Kubicki spricht schon von einem zweistelligen Ergebnis bei der Bundestagswahl. Ist das nicht der alte FDP-Übermut? Wissing: Wolfgang Kubicki hat seinen eigenen Stil, und ich schätze ihn sehr dafür. Wer ihn kennt, der weiß, er kann nicht anders, als sich riesige Ziele zu setzen - und er macht das richtig. has

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