Liberale und Union streiten gefährlich laut über die Vorratsdaten

Berlin · Die umstrittene Vorratsdatenspeicherung entzweit Schwarz-Gelb: Innenminister und Justizministerin liegen im Dauerclinch - das könnte für die Koalition zunehmend gefährlich werden. Es geht nicht mehr nur um die Sache.

Berlin. Neulich hat Franzi, der Scottish Terrier von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, beim Spaziergehen nach einer anderen Hundehalterin geschnappt. Alles halb so wild, ließ die FDP-Ministerin am Mittwoch wissen, man habe den Vorfall gütlich aus der Welt geschafft. Wenn es doch auch so einfach in der Politik wäre. Längst ist der Kampf um die Vorratsdatenspeicherung zwischen der Justizministerin und Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) kein Kampf mehr allein um die Sache. Es geht auch um persönliche Animositäten, die zur Gefahr für die schwarz-gelbe Koalition werden könnten.
Soweit ist es schon gekommen: Dann werde man eben ohne die bockige FDP-Frau die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umsetzen, schallte es gestern lautstark aus der Union. Das wiederum ist womöglich ein glatter Bruch des Koalitionsvertrages. Denn darin haben sich CDU/CSU und FDP verpflichtet, in Sachfragen stets Konsens herzustellen. Nur: Bereits seit zwei Jahren ringt man um eine Einigung, wirklich näher gekommen ist man sich nicht.
Gestern ließ die Bundesregierung daher eine von der EU-Kommission gesetzte Frist zur Umsetzung der europäischen Vorgaben für die massenhafte Speicherung von Kommunikationsdaten verstreichen. Nun wird eine Klage der EU vor dem Europäischen Gerichtshof erwartet, der dann voraussichtlich ein sattes Bußgeld verhängen wird. Beide Minister sind zwar darum bemüht, den Vorgang kleinzureden. Eine Strafzahlung von eventuell 32,5 Millionen Euro, wie das Innenministerium berechnet hat, gilt in der Koalition aber als öffentlich nicht vermittelbar. "Wir können es keinem Steuerzahler erklären, dass wir aufgrund der persönlichen Vorlieben einer Ministerin dieses deutsche Steuer- und Haushaltsgeld nach Brüssel überweisen", ätzt Unionsfraktionsvize Günter Krings.
Spätestens, wenn die EU die Klage einreiche, müsse Angela Merkel ein Machtwort sprechen, heißt es. Doch mit den Machtworten der Kanzlerin ist das so eine Sache. In der Vergangenheit sind sie stets verpufft: Trotz Merkel\'scher Interventionen wurde weiter gezankt - siehe Betreuungsgeld. Im Falle von Leutheusser-Schnarrenberger und Friedrich kommt hinzu, dass der ständige Zoff zu einer gegenseitigen, persönlichen Abneigung geführt haben soll. Dass beide politisch immens unter Druck stehen, tut ein Übriges dazu: Für Leutheusser-Schnarrenberger ist der Kampf gegen die staatliche Datensammlung ein Markenkern ihrer Partei und ihrer eigenen Überzeugungen. Auch, wenn ihre Haltung in den eigenen Reihen nicht unangefochten ist, so glaubt die Ministerin doch, dass sie damit der siechenden FDP nutzt. Und für Friedrich ist die Abgrenzung zur liberalen Widersacherin auch der Versuch, sein Image als wenig erfolgreicher Leisetreter loszuwerden. Beide agieren dabei mit allen Risiken und Nebenwirkungen - vor allem für die schwarz-gelbe Koalition.Extra

Telekommunikationsunternehmen in Europa sollen auf Vorrat Daten von Bürgern speichern - für den Fall, dass Polizei und Terrorfahnder sie später einmal brauchen. Basis ist eine EU-Richtlinie zur Terrorabwehr und Strafverfolgung von 2006. Demnach sollen die Staaten dafür sorgen, dass Telekommunikationsunternehmen Verbindungsdaten über Telefonate und E-Mails eine gewisse Zeit festhalten. Auf diese Weise sollen schwere Straftaten verhindert oder besser verfolgt werden können. dpa

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