Live aus Bagdad: Der CNN-Effekt

Live aus Bagdad: Der CNN-Effekt Seit Ausbruch des Irak-Kriegs überbieten sich die Fernsehstationen mit Informationssendungen. Der Trierer Medienwissenschaftler Professor Hans-Jürgen Bucher zweifelt jedoch an der Aussagekraft der Bilder. Die Fersehzuschauer werden derzeit bombardiert - mit nichtssagenden Satelliten-Fotos von angeblich brennenden Öl-Quellen im Irak, mit grünstichigen Bildern, auf denen angeblich vorrückende Panzer oder sich ergebende irakische Soldaten zu erkennen sein sollen. Sie werden rund um die Uhr von wenig informierten Korrespondenten aus Kuwait, Bagdad, London, Berlin und Washington und ratlosen Moderatoren in den heimatlichen Studios über den Kriegsfortschritt am Golf auf dem Laufenden gehalten. Vor allem ARD und ZDF sind zu Dauer-Tagesschau und Rund-um-die-Uhr-Heute übergegangen - und die Zuschauer interessiert es anscheinend kaum. Während die öffentlich-rechtlichen Sender pausenlos die gleichen Bilder wiederholen, setzen die Privaten auf eine Mischung aus Krieg und Unterhaltung und locken damit offensichtlich die Zuschauer. So hatte RTL am Donnerstag Abend ganz klar die Nase vorn mit Action- und Krimi-Serien und dazwischen gestreut Extra-Ausgaben der Nachrichten. Im Schnitt über sechs Millionen wollten sich bei dem Kölner Sender ablenken von Bomben, Kampfflugzeugen und Live-Schaltungen zwischen Deutschland, Bagdad und dem Rest der Welt. "Die Länge der Kriegsberichterstattung steht in keiner Relation zur Menge an gelieferten Informationen", stellt auch der Medienwissenschaftler Hans-Jürgen Bucher von der Uni Trier fest. Häufig würden über lange Zeit immer wieder die selben Bilder wiederholt, deren Aussagekraft jedoch oft sehr fraglich sei, kritisiert der Experte. Bucher spricht vom "CNN-Effekt": Das Fernsehen sei in solchen Situationen wie auch nach dem 11. September immer noch das Informationsmedium Nummer Eins. "Natürlich setzen die Öffentlich-Rechtlichen mit ihrer Rund-um-die-Uhr-Berichterstattung auch auf die Quote. Die Zuschauer erwarten das einfach", glaubt Bucher. Doch die Marktanteile von ARD und ZDF in den letzten Tagen sprechen dagegen. Die privaten Sender setzten bei ihrer Irak-Berichterstattung sehr stark auf Action und Emotionen, weniger auf Informationen, kritisiert Bucher. Das Problem der gesamten Kriegsberichterstattung sei die ungeklärte Herkunft der Bilder. "Ob die alle echt sind, lässt sich kaum überprüfen." Aber allein die Tatsache, dass auf allen Kanälen die gleichen Beiträge liefen, zeige, dass es nur begrenztes, freigegebenes Material aus der Kriegsregion gebe. Auch vermeintlich authentische Berichte von Korrespondenten nahe der Front hält er für wenig aussagekräftig. "Je näher die Reporter dran sind, desto vorsichtiger werden sie mit ihren Aussagen." Oft könnten sie die Meldungen, die die Heimatredaktionen von ihnen bestätigt wissen wollen, gar nicht vor Ort nachprüfen. Bernd Wientjes

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