"Lücken in ihrem Leben"

Trier · In Deutschland entbrennt eine Debatte über Mitläufertum in der DDR. Den Anstoß dafür gibt das neue Buch "Das erste Leben der Angela M.

 Günther Lachmann (52). Foto: © Reto Klar

Günther Lachmann (52). Foto: © Reto Klar

" von Ralf Georg Reuth und Günther Lachmann (Piper, 19,99 Euro) über das Verhalten der heutigen Bundeskanzlerin Angela Merkel (58, CDU) in der DDR bis 1989. Co-Autor Lachmann verteidigt im TV seine Recherchen. Die Fragen stellte Oliver Haustein-Teßmer.Bundeskanzlerin Angela Merkel wird jetzt vermehrt zu ihrer Vita in der DDR befragt. Warum finden Sie es wichtig, mehr über diese Lebensphase Merkels zu wissen? Günther Lachmann: Es war Angela Merkel, die den damaligen Außenminister Joschka Fischer im Jahr 2001 im Bundestag aufforderte, er solle sich von der 68er Revolte insgesamt distanzieren, er solle seine Zeit in der Frankfurter Sponti-Szene offenlegen. Damit machte sie deutlich, dass die frühen Jahre Fischers ihrer Ansicht nach untrennbar mit der Person des damaligen Außenministers Fischers verbunden waren. Sie sind Teil seiner politischen Sozialisation. Und damit hat sie recht. Leider hat sie nicht den gleichen Anspruch an sich selbst. Wann immer Angela Merkel nach den ersten 35 Jahren ihres Lebens in der DDR gefragt wurde, wich sie auf Belanglosigkeiten aus. Nun geben wir die Antworten in unserem Buch. Sie schreiben, Merkel sei FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda gewesen, Merkel weiß das anscheinend nicht mehr so genau. Wie bewerten Sie das?Lachmann: Seit ihrer Wahl in den Bundestag 1990 kann sich Angela Merkel an ihre Zeit in der DDR nur noch bruchstückhaft erinnern. Sie weiß, dass sie in der FDJ war, aber was sie dort genau gemacht hat, ist ihr entfallen. Indem sie diese Lücken in ihrem Leben lässt, führt sie die Öffentlichkeit hinters Licht. Sie sagt, die DDR sei ihr nie eine Heimat gewesen, sie habe das System abgelehnt. Gleichzeitig aber war sie in den Nachwuchsorganisationen der SED, bei den Jungen Pionieren und der FDJ. Wie passt das zusammen? Sie sagt, sie befürwortete die Nato-Nachrüstungspolitik und stieg 1981, also in der Hochzeit der Rüstungspolitik, zur FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda auf. Wie passt das zusammen? Aber auch CDU-Politikerinnen wie die rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Jutta Klöckner äußern Verständnis für Merkels angepasste Jugend in der DDR. Lachmann: Frau Klöckner und andere urteilen, ohne unser Buch gelesen zu haben. Ihr Buch erscheint im Bundestagswahlkampf 2013. Warum?Lachmann: Das Buch erscheint jetzt, weil es jetzt fertig geworden ist. Wir haben viele Jahre daran gearbeitet. Außerdem ist es ein ausschließlich auf Fakten beruhendes historisches Buch, in dem aktuelle Politik nicht vorkommt.Extra

Der Grünen-Europaabgeordnete Werner Schulz, früher DDR-Bürgerrechtler, nimmt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Schutz. Laut den Autoren Günther Lachmann und Ralf Georg Reuth war Merkel Sekretärin des DDR-Jugendverbands Freie Deutsche Jugend für "Agitation und Propaganda". "Aber Tausende waren dafür offiziell verantwortlich und hatten eigentlich eine teils völlig konträre Einstellung zum System", schrieb Schulz auf Zeit Online. oht

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