Luxus-Linke versprechen Wein für alle

BERLIN. Eigentlich haben sich die mehr als 300 Delegierten der zur Linkspartei mutierten PDS am Samstag im Berliner Estrel-Hotel versammelt, um ihr Wahlprogramm zu verabschieden. Doch dieser Tagesordnungspunkt ist nur Beiwerk. Alles dreht sich um zwei Männer: Gregor Gysi und Oskar Lafontaine.

Auf der Bühne ist die Fusion zwischen Linkspartei und WASG schon vollzogen. Einträchtig sitzen ihre Spitzenkandidaten aus 16 Bundesländern nebeneinander. Auf dem Großbildschirm werden die Köpfe immer wieder eingeblendet. Vor einem überdimensionalen roten Keil auf weißem Grund bilden sie die Kulisse für eine Inszenierung, die der Mediendemokratie perfekt Rechnung trägt. Der Parteitag, so sieht es die Regie vor, soll sich auf zwei Personen konzentrieren. Auf Oskar Lafontaine, den ehemaligen SPD-Chef und heutigen Spitzenkandidaten der nordrhein-westfälischen WASG, der zum ersten Mal einem Konvent der Linkspartei beiwohnt. Und natürlich auf Gregor Gysi, der zusammen mit dem Saarländer nach längerer politischer Abstinenz das deutsche Parteiensystem aufmischen will. Im Blitzlichtgewitter wirkt Lafontaine wie ein König. Seine Hände sind gefaltet, der Kopf ragt schräg nach oben. Dahinter steckt freilich auch Verunsicherung. Lafontaines Exkurse über "Fremdarbeiter" und seine Affinität zu den genussvollen Seiten des Daseins haben viele Linke irritiert. Der PDS-Europa-Abgeordnete Andre Brie nannte Lafontaine gar verächtlich einen "Luxus-Linken". Genau deshalb bricht Wahlkampfleiter Bodo Ramelow gleich zu Beginn des Parteitags eine Lanze für den Saarländer: "Gönnt dem Oskar doch den Reichtum - Hauptsache, er zahlt hinterher Vermögenssteuer." Lafontaine selbst sucht bei den Delegierten mit Ironien zu punkten. "Hier steht ein Luxus-Linker, im Luxus-Anzug, mit Luxus-Krawatte und Luxus-Hemd", der auf der "Luxus-Insel Mallorca" Urlaub mache, was sich kein Deutscher leisten könne. Als Eisbrecher erweist sich jedoch ein anderer Schachzug: Lafontaine umgarnt die alten Partei-Genossen mit einer Lobeshymne auf den letzten SED-Regierungschef der DDR und heutigen PDS-Ehrenvorsitzenden, Hans Modrow. Der "liebe Hans", so Lafontaine, habe früh gegen die "Verkrustungen des Stalinismus" gewirkt, doch im Gegensatz zu Michail Gorbatschow bleibe ihm der "Respekt" dafür versagt. Für soviel Seelenmassage erntet Lafontaine donnernden Applaus. In aller Bescheidenheit rückt er auch die eigene Person ins rechte Licht: Ohne sich "überhöhen" zu wollen - aber ein "historisches Datum" sei sein Erscheinen hier schon. "Ich sehe meinen Auftritt im Rahmen der Geschichte der Arbeitbewegung", konstatiert er. PDS-Star Gregor Gysi hat einige Mühe, den rhythmischen Beifall nach Lafontaines Rede noch zu toppen. Auch er nimmt den neuen Verbündeten für seinen Lebenswandel in Schutz: "Ein Linker muss nicht arm sein, er muss aber gegen Armut sein." Auch predige die Linkspartei nicht Wasser und trinke Wein. "Wir predigen Wein", ruft Gysi trotzig. Deshalb solle Schluss sein mit den Vorwürfen, "ab jetzt stehen wir solidarisch zusammen". Die Geschlossenheit wird dann auch gleich bei der Debatte zum Parteiprogramm praktiziert. Im Schnelldurchlauf haken die Delegierten eine Abschaffung der Hartz-IV-Reform, eine Mindestrente von 800 Euro und eine Grundsicherung von mindestens 750 Euro ab. Nur bei der Passage zum Mindestlohn kommt es zu einer längeren Diskussion. Schließlich stimmt der Parteitag für einen Betrag von monatlich 1400 Euro brutto. Der Vorstand wollte eigentlich 1000 Euro brutto festschreiben. Doch auch das ist nicht weiter dramatisch. Klar sei auf jeden Fall, dass man für einen Mindestlohn sei, erklärt Gregor Gysi. Nichts und niemand soll den medienöffentlichen Schulterschluss gegen die "Koalition der Neoliberalen" stören. "So viel Links war noch nie", schwärmt Wahlkampfmanager Ramelow dann auch über die Show.

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