Machtkampf in Mainz

Mainz · Im März 2016 entscheidet der Wähler, wem er die Macht verleiht, in Rheinland-Pfalz bis 2021 zu regieren. Die CDU-Opposition lechzt danach, nach 25 Jahren endlich wieder das Sagen zu haben. Sie gibt sich siegesgewiss. Doch SPD und Grüne kämpfen verbissen um den Machterhalt.

Mainz. Fast 16 Milliarden Euro gibt das Land jährlich aus, Tendenz steigend. Die Personalausgaben machen etwa 40 Prozent des Landeshaushalts aus. Es bleibt also noch reichlich Geld übrig. Und das verteilt die Regierung. Gesellschaftliche Gruppen, Verbände oder die Wirtschaft wissen das. Sie bemühen sich immerfort, möglichst große Stücke des Kuchens zu ergattern."Macht ist das stärkste Aphrodisiakum", sagte einst der frühere US-Außenminister Henry Kissinger. Anders ausgedrückt: Wer regiert, ist sexy und wird hofiert. Als Oppositionsführerin hat Julia Klöckner diese Erfahrung in den vergangenen Jahren nicht machen dürfen, selbst wenn sie noch so charmant lächelt und plaudert.Landtagswahl 2016

In jüngster Zeit spürt sie allerdings eine Veränderung. Das Interesse an ihr steigt. Plötzlich, erzählt die CDU-Chefin, melden sich Mitarbeiter aus Ministerien mit Informationen, die ihr und ihrer Partei dienlich sein könnten. Menschen wollen ihr die Hände schütteln, die vorher eher Abstand hielten. Man stellt sich schon mal gut mit den möglichen Machthabern von morgen. Klöckner verbreitet Optimismus, berichtet von einer guten Stimmung, kokettiert kräftig mit dem Amt, das sie erringen möchte. "Ich kann nicht in den großen Saal der Staatskanzlei gehen", sagt die 42-Jährige dazu, dass kürzlich der CDU-Flüchtlingsgipfel im Plenarsaal des Landtags stattfand. Und fügt dann lächelnd an: "Zumindest jetzt noch nicht." Die Oppositionsführerin kann sich auf Umfragen stützen, die samt und sonders gute Aussichten verheißen. Die CDU liegt bei verschiedenen Instituten konstant bei über 40 Prozent und hat damit ungefähr so viel wie SPD und Grüne zusammen. Die Regierungsparteien haben seit der Wahl 2011 acht bis zehn Prozent an Zustimmung verloren. Besonders froh blicken die Wahlstrategen der Union auf einen Wert, den sie herausgefiltert haben: Bei der Wählergruppe von Menschen über 60 Jahren habe man nicht nur deutlich auf-, sondern die SPD sogar überholt. Während früher Kurt Beck dieses bürgerliche Klientel erfolgreich an sich gebunden habe, gelinge Malu Dreyer das nicht mehr. Selbst ein Aspekt, der auf den ersten Blick Vorteile für die Ministerpräsidentin verheißt, relativiert sich bei näherem Hinsehen. Die SPD frohlockt, Dreyers persönliche Zustimmungswerte seien viel höher als die von Klöckner. Eine "Königin der Herzen" - so bezeichnete Landtagspräsident Joachim Mertes (SPD) Dreyer kurz nach der Amtsübernahme - lässt sich jedoch aus den Umfragen nicht herauslesen. Infratest Dimap ermittelte im November 2014, dass Dreyer bei einer Direktwahl zur Regierungschefin 45 Prozent bekäme und Klöckner 33 Prozent. Diese scheinbar hohe Differenz ist, verglichen mit der Vergangenheit und mit anderen Bundesländern, in Wahrheit auffällig gering. Dreyers AmtsvorgängerKurt Beck lag seit der Landtagswahl 2001 nahezu immer (weit) über 60 Prozent, mit zwei Ausnahmen: Abtritt als SPD-Bundesvorsitzender und Verkündung der Nürburgring-Insolvenz. Auch Regierungschefs anderer Bundesländer sind beliebter als Dreyer: Hannelore Kraft liegt in Nordrhein-Westfalen bei 59 Prozent. Auffallend sind auch die Werte bei der Frage im November 2014, wie zufrieden man mit dem jeweiligen Ministerpräsidenten war: Dreyer (58 Prozent) fiel hier gegenüber Kraft (NRW, 62 Prozent), Winfried Kretschmann (Baden-Württemberg, 65 Pozent), Horst Seehofer (Bayern, 65 Prozent), Olaf Scholz (Hamburg, 69 Prozent) oder Annegret Kramp-Karrenbauer (Saarland, 75 Prozent) kräftig ab. Was die Demoskopen sagen, hat indes noch nie eine Wahl entschieden. "Die CDU redet sich seit 1991 immer wieder zum Wahlsieger, geklappt hat es nie", spottet ein führender Sozialdemokrat. SPD-Fraktionschef Alexander Schweitzer findet, die Union "überzieht maßlos, überschätzt sich selbst und agiert hochmütig". Und Hochmut komme bekanntlich vor dem Fall. Laut Schweitzer ist "die stabile Partnerschaft zwischen SPD und Grünen ein klarer strategischer Vorteil gegenüber der CDU". Will heißen: Die Union hat keinen Koalitionspartner. Theoretisch kämen AfD, FDP oder die Linke, die in Umfragen an der Fünf-Prozent-Hürde liegen, in Betracht, wenn denn 2016 der Einzug ins Parlament gelänge. Klöckner schließt AfD und Linke aus. Die Wahlstrategen der CDU wundern sich derweil, wie leicht ihnen die Regierung seit einiger Zeit das Spiel mache. Sie nehmen mangelnde Absprachen und Unstimmigkeiten wahr. Als Beispiel wird genannt, wie Innenminister Roger Lewentz öffentlich den April 2016 als Landtagswahltermin nannte, während SPD und Grüne den März präferierten. Oder wie Ministerpräsidentin Malu Dreyer öffentlich verkündete, Finanzministerin Doris Ahnen werde eine Pressekonferenz zur Haushalts-Verfassungsklage der CDU geben - wovon Ahnen auf Nachfrage gar nichts wusste."Selbst in den schlechtesten Zeiten von Beck haben die Genossen sich besser abgestimmt. Die Koordination zwischen den Ministerien läuft nicht", meint CDU-General Patrick Schnieder. Selbst bei den Sozialdemokraten heißt es hinter vorgehaltener Hand, bei Martin Stadelmaier als Chef der Staatskanzlei habe es reibungsloser funktioniert. Er und Kurt Beck hätten jeden politischen Braten schon gerochen, ehe ihn die Opposition in die Röhre geschoben habe. Clemens Hoch, vor zwei Monaten 37 Jahre jung geworden, habe beim Managen der Macht noch Lernbedarf. In der SPD hat man auch registriert, dass Malu Dreyers groß beim Landesparteitag angekündigtes Thema Digitalisierung nicht recht zünden will. Dass die Kabinettsumbildung der Ministerpräsidentin bislang keine positive Wirkung beim Wahlvolk entfaltet hat, müssen die Genossen ebenfalls zur Kenntnis nehmen. Sie setzen darauf, dass das "Schlechtreden" der CDU letztlich nicht verfängt. "Die Union ist herzlich eingeladen, so weiterzumachen wie bisher", höhnt SPD-Parteichef Roger Lewentz. Unverdrossen zeigen sich die Grünen, obwohl sie und ihre Verkehrspolitik nach dem Ausfall der vielbefahrenen Schiersteiner Brücke zwischen Mainz und Wiesbaden in der Kritik stehen. Gerade haben sich die Industrie- und Handelskammern dazu deutlich positioniert - freundliche Worte waren es nicht. "Wir haben wenigstens überall klare Positionen, die CDU hat keine", heißt es von der Ökopartei trotzig. "Die Menschen sind mit Rot-Grün sehr zufrieden", glaubt Fraktionschef Daniel Köbler."Kein Abschied auf der Welt fällt schwerer als der Abschied von der Macht", sagte einst der bekannte französische Staatsmann Charles Maurice de Talleyrand. SPD und Grüne werden, soviel ist sicher, vehement um den Machterhalt in Mainz kämpfen. Die CDU-Opposition weiß nur zu genau und fürchtet, wie kampagnenfähig die Sozialdemokraten sind. Mehr als zwei Jahrzehnte lang haben diese bewiesen, ihre Wähler mobilisieren zu können. Allerdings hieß da der Spitzenkandidat jeweils Kurt Beck.Extra

CDU-Chefin Julia Klöckner überlegt nach eigenem Bekunden noch, ob sie wie 2011 ein Berater- und ein Kompetenzteam präsentiert. Zu ihren Beratern zählen der frühere Bundestagsfraktionschef Friedrich Merz, mit dem Klöckner im Herbst in die USA reist, der ehemalige Bundesgesundheitsminister Heiner Geißler und der nordrhein-westfälische CDU-Chef Armin Laschet. Dem Kompetenzteam, einer Art Schattenkabinett, gehörten unter anderem der Trier-Saarburger Landrat Günther Schartz (Kommunen), der Essener Kämmerer Lars Martin Klieve (Finanzen) und der Mainzer Professor Andreas Rödder (Bildung) an.fcg Extra

"Unser Land von Morgen" heißt der Slogan der SPD. Sie will im Wahlkampf die Stärken des Landes herausstellen und die Ministerpräsidentin in den Vordergrund rücken, wobei Malu Dreyer betont, sie sei "keine Einzelkämpferin". Die (gebührenfreie) gute Bildung, die starke Wirtschaft und ein gutes Leben im Alter mit Gesundheitsvorsorge, Pflege und Wohnen nennt Dreyer als wichtigste Themen. Sie konzentriere sich mit ihrem Kabinett aufs Regieren und wolle "die Erfolgsgeschichte der Regierung mit einem einmaligen Dreiklang von wirtschaftlichem Erfolg, sozialer Gerechtigkeit und gesellschaftlichem Zusammenhalt über 2016 hinaus fortschreiben". Parteichef Roger Lewentz unterstreicht: "Die SPD ist richtig gut drauf." Viele Frauen kämen, um für Malu Dreyer zu werben. Er sei davon überzeugt, "dass wir zulegen können und werden". Die SPD wolle 2016 wieder stärkste Fraktion werden und Rot-Grün ohne Wenn und Aber fortsetzen.fcg

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