"Mama" Merkel wird streng

Berlin · Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Flüchtlingskrise als "nationale, europäische und globale Kraftanstrengung" bezeichnet. Dabei sei besonders die EU gefragt, sagte sie in ihrer gestrigen Regierungserklärung im Bundestag.

Berlin. Müde wirkt Angela Merkel nicht. Nur einmal muss sie leicht gähnen, ausgerechnet bei der Rede ihres Fraktionschefs Volker Kauder. Dabei war die Nacht mal wieder kurz für die Kanzlerin. Bis ein Uhr in der Früh hat der Gipfel in Brüssel gedauert, dann noch eine Pressekonferenz und die Rückreise. Morgens um neun Uhr ist schon wieder Plenarzeit im Reichstag. Es ist ein Tanz auf vielen wichtigen Hochzeiten, den Merkel diese Woche absolvieren muss.
Noch in der Nacht stellt sie wegen der Flüchtlingskrise die Koordinaten im Umgang mit dem syrischen Präsidenten Assad neu ein: "Es muss mit vielen Akteuren gesprochen werden, auch mit Assad", sagt sie nach dem Gipfel. Etwas, was bis vor kurzem noch undenkbar gewesen wäre angesichts der Kriegsverbrechen, die dem syrischen Machthaber zur Last gelegt werden. Doch die Realität hat Merkel eingeholt. Sie wird bestimmt von hunderttausenden Bürgerkriegsflüchtlingen, die sich auf den Weg nach Europa und vor allem nach Deutschland gemacht haben. Der Umgang mit diesen Menschen ist es auch, der dann Merkels Regierungserklärung im Bundestag dominiert.
Die Bewältigung des Ansturms sei eine nationale, europäische und globale Herausforderung, betont die Kanzlerin. "Alles hat Hand in Hand zu gehen." Für die Bundesregierung bedeute dies einen "Kraftakt".

Merkel erklärt, die Menschen, die hier Aufnahme fänden, müssten die bestehenden Regeln und Werte respektieren; sie müssten bereit sein, sich zu integrieren und die deutsche Sprache zu lernen. Auch spricht sie sich klar für schnellere Asylverfahren aus, gleichzeitig sollten "die notwendigen Rückführungen konsequent durchgesetzt werden". "Mama Merkel", wie Flüchtlinge sie nennen, kann auch anders - sie zeigt Strenge.

Mag sein, dass deshalb am Ende der Rede eine Abgeordnete besonders kräftig applaudiert: das ist CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. Sie kann gut mit der Kanzlerin, anders als ihr Parteichef Horst Seehofer neigt sie nicht zur Rauferei. Ihr heftiger Beifall kann als Zeichen der Wiedergutmachung interpretiert werden, auch wenn damit der politische Konflikt zwischen Merkel und der CSU nicht gelöst ist. Denn die Schwesterpartei hat einen Tag zuvor den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban empfangen und mit ihm zusammen erneut einen Frontalangriff gegen Merkels Flüchtlingspolitik gefahren. Die Kanzlerin bestraft dies damit, dass sie darauf gar nicht eingeht. So ist sie.

Bemerkenswert ist noch die Episode Thomas de Maizière (CDU). Der Innenminister fiel in den vergangenen Wochen nicht durch gutes Krisenmanagement auf. "Herzlich" dankt Merkel ihm trotzdem, oder gerade deswegen für seine Arbeit. Das nennt man demonstrative Rückendeckung. Die Unionsfraktion applaudiert lange, de Maizière bekommt sein Grinsen gar nicht mehr ausgeknipst. Wobei ihm wohl aufgefallen sein dürfte, dass sich bei der SPD keine einzige Hand rührt. Große Koalition - großer Argwohn. Auch in der Flüchtlingspolitik.

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