Manches bleibt schleierhaft

TRIER/KARLSRUHE. Dürfen Ordensschwestern noch an staatlichen Schulen unterrichten, wenn muslimische Frauen im Unterricht kein Kopftuch mehr tragen können? Die Ländern sollen, so will es das Bundesverfassungsgericht, im "Kopftuch-Streit" per Gesetz entscheiden. Allerdings fordert das BVG auch die Gleichbehandlung religiöser Symbole.

Eine Frau in Ordenstracht sitzt in der ersten Reihe in einem Klassenraum der Blandine-Merten-Realschule. Mitten unter den Schülerinnen hat sie Platz genommen. "Das hab ich früher oft getan", erinnert sich Schwester Veritas Albers. "Damals habe ich noch selbst als Lehrerin gearbeitet." Seit acht Jahren ist sie Generaloberin der "Ursulinen von Calvarienberg Ahrweiler". Als solche steht sie etwa 3800 Schülerinnen und Schülern vor. Denn die Ursulinen unterhalten vier Schulen in Nordrhein-Westfalen - und die Blandine-Merten-Realschule in Trier. Alle sind staatlich anerkannt.Urteil verlangt Gleichbehandlung

Bis 1996 war auch das Trierer Angela-Merici-Gymnasium in der Trägerschaft des Ordens. Schwester Veritas hat dort 18 Jahre lang Mathematik und Physik unterrichtet. Insgesamt war sie über 30 Jahre im Schuldienst. "Es ist üblich, dass wir in ordenseigenen Einrichtungen arbeiten. Aber gelegentlich müssen wir auch an staatlichen Schulen aushelfen und werden abgeordert." Dann tragen Ordensschwestern wie Schwester Veritas in den meisten Fällen ihre Tracht. Dazu zählt der Habit und der Schleier. "Ordenstracht ist immer auch Ausdruck unserer Gemeinschaft. Jede Einzelne und die Gemeinschaft als Ganzes erhalten dadurch ein verbindendes Element", sagt Schwester Veritas.In der letzten Zeit hat in der Öffentlichkeit eine große Debatte über die Kopftücher muslimischer Lehrerinnen in staatlichen Schulen stattgefunden. Ob diese im Unterricht ein Kopftuch tragen dürfen, bestimmen nun zukünftig die Länder. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Ende September bekannt gegebenen "Kopftuch-Urteil" beschlossen, dass das Unterrichten mit Kopftuch nur untersagt werden kann, wenn ein entsprechendes Landesgesetz dies verbietet. Daraufhin erklärte vor kurzem die Kultusministerkonferenz bei einer Tagung in Darmstadt, dass bislang sieben Länder per Gesetz das Kopftuch verbieten wollen. Die übrigen acht Länder - darunter auch Rheinland-Pfalz - sehen dagegen derzeit keinen gesetzlichen Regelungsbedarf. Im BVG-Urteil wird allerdings ausdrücklich die "Gleichbehandlung religiöser Symbole" verlangt. Könnten deshalb auch Ordensschwestern betroffen sein? Schwester Veritas betont, dass das muslimische Kopftuch keineswegs identisch mit dem Schleier von Ordensschwestern sei: "Der Schleier ist auch ein Zeichen unserer Gelübde. Wir sind durch die Ordenstracht keiner Mode unterworfen." Hinzu komme, dass Ordensschwestern mit ihrer Tracht in der Öffentlichkeit ihre Lebensform bekunden würden: "Wir leben im Dienst der Gemeinschaft und der Kirche, weil wir Jesu Christi nachfolgen möchten. Nur dadurch erhält die Tracht ihre Legitimation."Lehrerinnen und Lehrer, die im öffentlichen Dienst stehen, müssen den Eid auf die deutsche Verfassung ablegen. In allen Schulen, ob in öffentlicher oder in privater Trägerschaft, darf das Lehrpersonal keinen politischen Einfluss auf Schülerinnen und Schüler ausüben. "Grundsätzlich muss jeder in Würde leben dürfen", meint Schwester Veritas. "Wenn ein Gesetz die Überzeugung angreift und damit die Persönlichkeit des Menschen, geht das zu weit." In Trier unterrichten an der Blandine-Merten-Realschule vier Ordensschwestern. Klagen von Schülerinnen über deren Ordenstracht sind der Generaloberin nicht bekannt: "Das wird von uns sogar erwartet." Ihre Meinung in Kürze? Sollte der Gesetzgeber christliche Ordenstracht und moslemisch Kopftuch unterschiedlich behandeln? Ihre Mail kann nur veröffentlicht werden, wenn uns Name und Anschrift vorliegen.

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