Marx: Karrieresprung in Himmelspforten?

Ab heute suchen die deutschen Bischöfe einen Nachfolger für den aus Gesundheitsgründen vorzeitig aus dem Amt scheidenden Konferenz-Vorsitzenden Karl Kardinal Lehmann. Die besten Chancen werden dem ehemaligen Trierer Bischof Reinhard Marx (54) und dem Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch (69) eingeräumt.

 Der ehemalige Trierer Bischof Reinhard Marx könnte am Dienstag den scheidenden Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, beerben. TV-Foto: Friedemann Vetter

Der ehemalige Trierer Bischof Reinhard Marx könnte am Dienstag den scheidenden Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, beerben. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier/Würzburg. Nie zuvor ist ein Treffen der deutschen Bischöfe auf ein derart großes Medien-Interesse gestoßen wie die diesjährige Frühjahrsvollversammlung. Rund 100 Journalisten werden heute am traditionellen Tagungsort, dem Kloster Himmelspforten bei Würzburg, erwartet. Die Verantwortlichen des kirchlichen Tagungshauses haben auf die Schnelle eigens einen früheren Kuhstall in ein modernes Pressezentrum umbauen lassen. Und einen Sicherheitsdienst engagiert, der dafür sorgen soll, dass den 69 Bischöfen und Weihbischöfen kein Journalist zu nahe kommt. Denn der spannendste Programmpunkt des viertägigen Treffens ist streng geheim - die Wahl eines neuen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. Sie wurde nachträglich auf die Tagesordnung gesetzt, weil der seit 1987 amtierende Vorsitzende, der Mainzer Karl Kardinal Lehmann, erst vor drei Wochen seinen vorzeitigen Rücktritt angekündigt hatte. Der 71-Jährige räumt aus gesundheitlichen Gründen den Chef-Sessel der Bischofskonferenz. Lehmann wurde Ende letzten Jahres mit lebensgefährlichen Herz-Rhythmus-Störungen in einer Klinik behandelt. Kirchlicher Jungspund

Dass der auch bei Nicht-Katholiken beliebte Mainzer Bischof noch immer nicht wieder voll auf dem Damm ist, war bei der Einführung des neuen Münchner Erzbischofs Reinhard Marx am Samstag vor einer Woche zu beobachten. Der blass aussehende Lehmann machte einen geschwächten Eindruck, fehlte nach dem Gottesdienst auch beim Gruppenfoto vor dem Liebfrauendom.Im Zentrum des Geschehens war dafür Lehmanns potenzieller Nachfolger, der ehemalige Trierer Bischof Reinhard Marx. Der "shooting star" unter den 27 deutschen Diözesanbischöfen gilt auch bei der am morgigen Dienstag angesetzten Wahl im Kloster Himmelspforten als aussichtsreichster Kandidat. "Marx ist ehrgeizig, volksnah, kann schnell formulieren und hat eine sympathische Ausstrahlung", sagt Ulrich Ruh von der kirchlichen Monatszeitschrift "Herder Korrespondenz". Außerdem ist der ehemalige Trierer Bischof mit seinen 54 Jahren für kirchliche Verhältnisse fast schon ein "Jungspund". Fraglich allerdings, ob dies Marx am Dienstag eher nutzt oder schadet. Wird er gewählt, dürfte der gebürtige Westfale das Vorsitzendenamt für die nächsten 20 Jahre auch behalten. Mit 75 Jahren müssen die Bischöfe dem Papst ihren Amtsverzicht anbieten.Keine zwei Herkules-Jobs

Möglicherweise könnte die absehbar lange Amtszeit eines Vorsitzenden Reinhard Marx etliche der 69 wahlberechtigten Bischöfe und Weihbischöfe abschrecken. Hinzu kommt, dass Marx gerade erst als neuer Erzbischof von München und Freising eingeführt worden ist. "Zwei Herkules-Jobs beieinander stemmt auch ein Reinhard Marx nicht so einfach", meint ein Kirchenkenner. Außerdem gebe es unter den deutschen Bischöfen einige, die verhindern wollten, "dass Marx die Karriereleiter im Eil-Tempo nimmt".Als einziger ernstzunehmender Konkurrent des Münchner Erzbischofs gilt Marx' Freiburger Kollege Robert Zollitsch. "Er ist effizient, arbeitswütig, ein guter Verwalter, allerdings kein theologischer Impulsgeber", meint Kirchen-Experte Ulrich Ruh. Eher ein Pluspunkt für Zollitsch könnte auch sein Alter sein: Mit seinen 69 Jahren würde der Freiburger Erzbischof nach nur einer Amtsperiode, die sechs Jahre dauert, den Stuhl des Bischofskonferenz-Vorsitzenden wieder räumen. Und Platz machen für den in Bayern dann längst akklimatisierten und wohl noch mächtigeren Reinhard Marx. HINTERGRUND Vorsitzenden-Wahl: An der Wahl des Vorsitzenden der Bischofskonferenz beteiligen sich alle Bischöfe und Weihbischöfe aus den 27 deutschen Bistümern. Gewählt werden kann aber nur ein Diözesanbischof. Weil der Mainzer Bischof Karl Kardinal Lehmann nicht mehr infrage kommt und in Trier sowie Speyer derzeit Diözesan-Administratoren an der Bistumsspitze stehen, reduziert sich die Zahl der wählbaren Bischöfe auf 24. Gewählt wird ohne Aussprache, das heißt: Jeder der 69 Geistlichen schreibt einen Namen auf seinen Zettel. In den ersten beiden Wahlgängen ist eine Zweidrittel-Mehrheit der Anwesenden erforderlich, ab dem dritten Wahlgang reicht die einfache Mehrheit. (sey) extra Konferenz-Themen: Neben der Vorsitzenden-Wahl geht's bei der viertägigen Frühjahrsvollversammlung ums Thema "Ehe und Familie", ein neues Liturgiebuch für die Taufe und die Latein-Messen. Mehr öffentliche Aufmerksamkeit dürfte aber ein anderes Thema erzielen: Die Mehrheit der katholischen Bischöfe, darunter auch Reinhard Marx, befürwortet einen eigenen digitalen Fernsehkanal. Medienbischof Gebhard Fürst wird dazu das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie vorstellen. Das Projekt ist nicht nur wegen der hohen Kosten umstritten. Einzelne Intendanten haben schon angekündigt, bei einer Realisierung die derzeit noch garantierten kirchlichen Sendezeiten bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten infrage zu stellen. (sey)

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