Maut auf der Zielgeraden, aber längst nicht am Ziel

Berlin · Nach langen Kämpfen nimmt Minister Dobrindts heikles Projekt eine weitere Hürde.

Berlin (dpa) Als aus der CSU die ersten Rufe nach einer PKW-Maut kamen, hatte Alexander Dobrindt noch keinen Führerschein. Er sei das Warten leid, dass Nachbarstaaten ihre Autobahngebühren abschaffen, ärgerte sich der CSU-Verkehrsexperte im Bundestag, Dionys Jobst. Deshalb sollten Ausländer an der Grenze für 60 Mark Plaketten für die deutschen Autobahnen kaufen - und Inländer im Postamt, denen dann aber die KFZ-Steuer um 60 Mark gesenkt werden sollte. Das war 1984. Und die Maut blieb lange nur ein christsozialer Wahlkampfknüller.
Mehr als 30 Jahre später hat Dobrindt die Idee aus den Bierzelten auf die politische Zielgerade gebracht. Seine komplette Amtszeit als Bundesverkehrsminister ringt der 46-Jährige nun schon für eine Maut, die unter dem Strich nur Fahrer aus dem Ausland extra belastet. Am Freitag soll der Bundestag ein Gesetzespaket beschließen, das die "Infrastrukturabgabe" im zweiten Anlauf perfekt machen soll.
Denn die Maut-Einführung hat der Bundestag eigentlich schon vor zwei Jahren beschlossen, am 27. März 2015. Dobrindt musste dann aber alles auf Halt stellen, weil die EU-Kommission ihm ein Verfahren wegen verbotener Benachteiligung von Ausländern aufbrummte. Zentraler Kritikpunkt: Nur Inländer sollen über eine niedrigere KFZ-Steuer voll für die Maut entlastet werden. Im Dezember 2016 einigte sich Dobrindt überraschend mit Brüssel auf Änderungen an seinem Modell, die ihm nun doch noch grünes Licht für das Vorhaben verschaffen sollen. Dabei geht es um Nachbesserungen in zwei Punkten. Die Kurzzeittarife für Fahrer aus dem Ausland sollen mit sechs statt drei Preisstufen stärker gestaffelt werden. Außerdem soll die Entlastung für Inländer bei der KFZ-Steuer aufgestockt werden - um jährlich 100 Millionen Euro zusätzlich für besonders abgasarme Euro-6-Autos.
Weniger umstritten ist die Maut-Version 2.0 damit nicht geworden. Laut einem Gutachten der Europarechts-Experten des Bundestags im Auftrag der Grünen verstößt sie weiter gegen EU-Recht - denn die Kombination aus Maut und Inländer-Entlastung bleibe ja bestehen. Dobrindt hat jetzt aber die EU-Kommission als Fürsprecherin an seiner Seite, die nunmehr alles "mit EU-Recht in Einklang" sieht.
Die Opposition trommelt trotzdem weiter gegen die Pläne. CDU und SPD sollten endlich die Reißleine ziehen und den "Maut-Unsinn" begraben, sagt Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. Die Linke bringt eigens ein "Infrastrukturabgabenaufhebungsgesetz" mit dem speziellen Kürzel "InfrAGAufhG" ein. "So einen Mautmurks will jenseits der bayerischen Landesgrenze kein Mensch", sagt Verkehrsexperte Herbert Behrens.
Bangen muss Dobrindt aber nicht. Der Koalitionspartner SPD hat nach einigem Zögern Zustimmung signalisiert. Dabei sei die Maut "kein Herzensanliegen der SPD", wie Fraktionschef Thomas Oppermann eigens betont. Für ihr Ja holten die Sozialdemokraten noch eine Art Testat zur Frage ein: Bringt die Maut wirklich 500 Millionen Euro pro Jahr für Investitionen ein, wie Dobrindt verspricht? Eine Studie für den Autofahrerclub ADAC warnt vor Verlusten für den Staat. Das Haus von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schrieb der SPD nun, man habe keine Veranlassung, die Annahmen des Verkehrsressorts zu bezweifeln. Bis ins Ziel kann es für Dobrindt aber noch hart werden. Die Maut muss auch durch den Bundesrat, der auf mautfreie Autobahn-Abschnitte in der Nähe der Grenzen pocht, um Einbußen für Handel und Tourismus zu vermeiden. Zu Fall bringen kann die Länderkammer das Paket nicht, da es nicht zustimmungspflichtig ist. Einige Ländern sammeln aber schon Truppen für eine mögliche Anrufung des Vermittlungsausschusses. Das könnte das ganze Verfahren verzögern und - je nach Eskalationsbereitschaft — auf den letzten Metern vor der Bundestagswahl sogar noch ausbremsen.
Der Mautminister drückt in jedem Fall aufs Tempo. Denn nach dem Gesetzgebungsverfahren steht noch eine Ausschreibung für die technische Umsetzung des Mautsystems an, die wiederum Monate braucht. Bis die Autofahrer zahlen müssen, dauert es ohnehin noch länger. Den konkreten Start seiner Maut peilt Dobrindt inzwischen für 2019 an.

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