Mehr als ein Drittel der Vertretungslehrer sind in den Ferien arbeitslos

Trier · Sie unterrichten nicht selten seit Jahren an der gleichen Schule. Doch mit den Sommerferien endet plötzlich ihr Vertrag: 700 von 2000 Vollzeitstellen für Vertretungslehrer sind aktuell nicht verlängert worden.

Trier. Schulferien. Die Sonne scheint. Lehrer müsste man sein, mag sich so mancher denken, der - Ferienzeit hin oder her - weiter täglich ins Büro geht. Allerdings bedeutet das Ende des Schuljahrs für so manchen Lehrer nicht den Beginn einer Erholungsphase, sondern den Beginn der Arbeitslosigkeit. Sie werden in den Ferien nicht bezahlt und wissen auch nicht, ob sie danach wieder an ihrer Schule unterrichten dürfen.
Nach Auskunft des rheinland-pfälzischen Bildungsministeriums wurden die Verträge von etwas mehr als einem Drittel der Vertretungslehrer nicht über die Sommerferien hinaus verlängert: Von den umgerechnet 2000 Vollzeitstellen, die es landesweit gibt, sind 700 betroffen. Ob die Vertretungslehrer, deren Zahl etwa um ein Drittel größer sein dürfte als jene der Stellen, nach den Ferien wieder einen Job bekommen, wird sich erst sehr kurzfristig am Ende der Ferien entscheiden. Es trifft auch solche Lehrer, die schon seit Jahren befristet an einer Schule arbeiten. Unter Umständen auch dann, wenn sie vor den Ferien noch als Klassenlehrer vorgesehen waren.
"Man gibt den jungen Leuten überhaupt keine Perspektive in unserem Land", sagt ein Schulleiter, der anonym bleiben möchte, weil er fürchtet, "seinen" Vertretungslehrern in ihrer ungewissen Situation sonst zu schaden. Er selbst habe mit 30 eine Familie gründen können. Die jungen Lehrer könnten sich hingegen noch nicht mal ein Auto kaufen, weil sie mit ihren Kurzzeitverträgen keinen Kredit bekämen. Auch für die Schüler sei das ein Problem. "Die müssen sich permanent auf neue Leute einstellen", sagt der Schulleiter.
"Diese Verträge sind notwendigerweise befristet, weil der zugrundeliegende Bedarf nur ein vorübergehender ist", heißt es vom Ministerium. Sie würden dann vergeben, wenn Lehrer vor-übergehend nicht zur Verfügung stehen, beispielsweise wegen Mutterschutz, Elternzeit oder Erkrankung. Fällt der Vertretungsgrund weg, endet der Vertrag.
In der Realität ist es allerdings so, dass Schulen möglichst immer neue Vertretungsgründe suchen, um ihre Mitarbeiter halten zu können, so dass diese nicht selten über Jahre hinweg befristet an der gleichen Schule arbeiten. "Kettenverträge sind ein Massenphänomen", sagt die Wittlicher Rechtsanwältin Margit Bastgen, die nach eigener Auskunft rund zehn Vertretungslehrer erfolgreich vor Gericht vertreten hat.
Aktuelle Urteile des Bundesarbeitsgerichts und des rheinland-pfälzischen Landesarbeitsgerichts hätten die Chancen für klagende Lehrer erhöht. Bastgen zufolge hat es in den vergangenen Wochen deutschlandweit eine erhebliche Zahl von "Entfristungen" gegeben. Wer diesen Weg beschreiten will, muss sich allerdings sputen: Drei Wochen nach Ferienbeginn läuft die Frist zur Klageerhebung aus.
Zuletzt hatte das Thema auch in Mainz für politischen Wirbel gesorgt: Die CDU warf der Landesregierung vor, sie setze im Schuldienst auf "prekäre Kurzzeitverträge" zur Unterrichtsversorgung, was Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) vehement zurückwies. "Unsere Lehrkräfte werden im Regelfall als Beamte oder in unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen eingestellt", sagt Ahnen. Zudem baue das Land einen Vertretungspool mit 1000 Beamtenstellen auf, um die Lage der Vertretungslehrer zu verbessern (siehe Extra).Extra

Das Land Rheinland-Pfalz beschäftigt rund 40 000 hauptamtliche Lehrer. Die Zahl der Vertretungsverträge liegt laut Bildungsministerium durchschnittlich bei rund 2000 Vollzeitstellen. Bezahlt wird nach Tarif. Dennoch verdienen die Lehrer deutlich weniger als verbeamtete Kollegen. Abhilfe schaffen soll ein Vertretungslehrerpool, der derzeit 200 feste Beamtenstellen umfasst. Weitere 100 Planstellen folgen zum kommenden Schuljahr. 2016 sollen es 1000 sein. kah

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