Mehr Ausgaben ohne neue Schulden

Berlin · Nach langem Streit haben sich Union und SPD auf die Eckwerte des Bundesetats für 2017 und die weitere Finanzplanung bis 2020 verständigt. Trotz kräftig steigender Ausgaben sollen die kommenden Haushalte weiter ohne neue Schulden auskommen.

Berlin. Am Ende gäbe es "nur Sieger", verkündete Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gestern frohgemut in Berlin. Nachfolgend die wichtigsten Details und Hintergründe des Zahlenwerks:Wie entwickeln sich die Ausgaben? Im laufenden Jahr will der Bund insgesamt 316,9 Milliarden Euro ausgeben. 2017 soll das Volumen auf 325,5 Milliarden Euro steigen. Im Jahr 2020 sind gar 347,8 Milliarden Euro vorgesehen. Zu den größten Profiteuren zählt der Sozialetat von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). Er steigt im kommenden Jahr um rund 8,8 Milliarden Euro auf fast 139 Milliarden. Der Haushalt von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) legt um fast zwei Milliarden Euro zu. Damit stehen ihr im kommenden 36,6 Milliarden Euro zur Verfügung. Hält Schäuble die "schwarze Null"? Trotz der Flüchtlingskrise und Mehrausgaben an anderer Stelle soll auch der Etat 2017 ohne neue Schulden auskommen. Es wäre der vierte Haushalt in Folge mit einer "schwarzen Null". Und dabei soll es auch bis einschließlich 2020 bleiben. Nach heutigem Stand stehen die Chancen dafür günstig. So rechnet Schäuble weiter mit niedrigen Arbeitslosenzahlen, sprudelnden Steuerquellen und moderaten Zinsbelastungen. Was ist mit den Altschulden? Aktuell schlagen knapp 1,3 Billionen Euro zu Buche, die sich der Bund in der Vergangenheit bei den Banken geborgt hat. Eine Schuldentilgung ist in der aktuellen Finanzplanung nicht vorgesehen. Sämtliche Überschüsse sollen in die Bewältigung der Flüchtlingskrise fließen. Allerdings ist die Zinsbelastung wegen des billigen Geldes immer geringer geworden. Für 2017 rechnet Schäuble mit Zinsausgaben von 20,1 Milliarden Euro. Im laufenden Jahr sind dafür noch 25,2 Milliarden Euro veranschlagt. Was kosten die Flüchtlinge? Für die Flüchtlinge stehen im kommenden Jahr rund zehn Milliarden Euro zur Verfügung. Ein großer Teil davon ist für Sprachkurse, Integrationsprogramme sowie den Einstieg in Arbeit und Ausbildung reserviert. Berücksichtigt sind aber auch höhere Ausgaben für die Grundsicherung (Hartz IV), die anerkannten Flüchtlingen ohne Job zusteht.Hat die SPD ihr "Sozialpaket" bekommen? Nach SPD-Angaben gibt es mehr als fünf Milliarden Euro zusätzlich für die Arbeitsförderung auch von einheimischen Langzeitarbeitslosen, für den Wohnungs- und Städtebau sowie für den Ausbau von Kitas und die Einführung einer "Solidarrente" für Geringverdiener. Nach Lesart der Union kommen für 2017 aber nur rund 2,3 Milliarden Euro oben drauf, weil ein Teil der SPD-Forderungen schon vorher zugesagt war. Ebenso wie Schäuble zeigte sich aber auch SPD-Chef Sigmar Gabriel zufrieden: Mit den vereinbarten Eckwerten gebe es einen "klaren Schwerpunkt auf gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration", so Gabriel. Wie reagiert die Opposition? Weil in der Finanzplanung für 2018, dem Jahr nach der nächsten Bundestagswahl, noch ein Milliarden-Loch klafft, höhnen die Grünen: "Nach dem Wahltag kommt der Zahltag." Auch mit dem Sozialpaket der SPD zeigt man sich unzufrieden. Der Haushaltsexperte der Grünen Sven-Christian Kindler meinte: "Das sieht mehr nach einem Showprojekt als einem Sozialprojekt aus". Wie geht es jetzt weiter? Einen detaillierten Haushaltsplan für 2017 will das Bundeskabinett im Juni verbschieden. Nach der Sommerpause folgen dann die parlamentarischen Beratungen. Erfahrungsgemäß sind dann auch noch leichte Änderungen zu erwarten.Meinung

Ende des Brimboriums Was haben sich SPD und Union gefetzt über diesen Bundeshaushalt. Unter großem medialen Brimborium forderte Obergenosse Sigmar Gabriel ein "neues Solidaritätsprojekt für unsere eigene Bevölkerung" und drohte gar mit einem "Nein" zum anstehenden Zahlenwerk, falls seine Idee darin keine Berücksichtigung fände. Kassenwart Wolfgang Schäuble wiederum ließ Gabriel kalt abblitzen. Das war vor den drei Landtagswahlen. Nun ist wieder Harmonie angesagt. Gabriel bekommt ein paar Milliarden mehr. Und Schäuble kann stolz verkünden, dass die "schwarze Null" trotzdem steht wie ein Fels in der Brandung. So wird die Etatplanung für 2017 zu einem koalitionsverträglichen Mix aus roten und schwarzen Zutaten. Allen recht getan, ist in diesem Fall jedoch eine Kunst, für die Schäuble am wenigsten kann. Die gute Haushaltslage resultiert ja nicht aus großen Reformen oder eiserner Spardisziplin. Der Kassenwart kann aus dem Vollen schöpfen, weil es die Konjunktur nach wie vor gut mit ihm meint. Und weil die europäische Niedrigzinspolitik den Schuldendienst auf ein historisches Tief gedrückt hat. Wirklich nachhaltig angelegt wurden die Überschüsse jedoch nicht. Dazu zwei Zahlen: Steuereinnahmen im Umfang von 282 Milliarden Euro konnte der Bund im vergangenen Jahr verbuchen. Aber nur gut sechs Milliarden Euro davon flossen in das Bundesfernstraßennetz. Dabei besteht gerade in der Verkehrsinfrastruktur ein riesiger Investitionsstau. Auch in den kommenden Jahren schießen die Ausgaben zum Teil kräftig nach oben. Doch ist das Augenmerk dabei eher auf weitere soziale Wohltaten gerichtet. Die Wettbewerbsfähigkeit des Landes wird dadurch erst recht nicht verbessert. Genau das ist jedoch geboten, denn für die gute Wirtschaftslage gibt es keine Bestandgarantie. nachrichten.red@volksfreund.de

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