Mehr Befugnisse für französischen Geheimdienst: 63 Prozent der Bürger für Einschränkung der Freiheitsrechte im Internet

Paris · Die französische Nationalversammlung debattiert über ein neues Gesetz, das den Geheimdiensten weitreichende Befugnisse einräumt. Die Agenten können Daten von Internetnutzern abfragen und Telefongespräche abhören.

Amédy Coulibaly, einer der Attentäter von Paris, hatte 13 Handys. Eines der Geräte empfing am 7. Januar um 10.19 Uhr eine SMS von Chérif Kouachi, der eine Stunde später zusammen mit seinem Bruder Said die Redaktion der Satirezeitung "Charlie Hebdo" überfiel und zwölf Menschen tötete. Die französischen Geheimdienste fanden erst nach der Anschlagserie mit insgesamt 17 Toten heraus, wie die Islamisten kommunizierten. Um Terrorverdächtige künftig besser zu überwachen, wird in der Nationalversammlung seit Montag ein neues Geheimdienstgesetz diskutiert. Der Text soll den rechtlichen Rahmen der Geheimdienstarbeit festlegen, doch Kritiker sehen die Persönlichkeitsrechte in Gefahr.

"Das Drama im Januar bestimmt leider die Zahl der Abgeordneten, die den Entwurf unterstützen", sagt der grüne Parlamentarier Sergio Coronado zum erwarteten Votum für den Text. Zusammen mit der Linksfront und einigen Abweichlern unter den regierenden Sozialisten wehrt er sich gegen die neue Regelung, die eine alte aus dem Jahr 1991 ersetzen soll. Die Kritiker befürchten eine Massenüberwachung, die vor allem durch die "schwarzen Boxen" ermöglicht wird. Die Geräte sollen bei den Interanbietern installiert werden, um im großen Rahmen beispielsweise das Aufrufen bestimmter Webseiten zu erfassen.

63 Prozent der Franzosen dafür

"Es geht nicht nur darum, nützliche Daten zu erheben, die eine bestimmte Person betreffen, sondern auf undifferenzierte Art und Weise eine große Menge an Daten zu sammeln, die auch Personen außerhalb der Geheimdienstmission betreffen", kritisiert die Datenschutzbehörde CNIL. Ihre Warnung stößt bei vielen Franzosen auf taube Ohren: laut einer Umfrage sind 63 Prozent zu einer Einschränkung ihrer Freiheitsrechte im Internet bereit.

Für die Regierung geht es darum, die Mittel an die modernen Methoden des Cyberterrorismus anzupassen. Wie mächtig Islamisten im Internet sind, hatte vergangene Woche der Cyberangriff auf den französischsprachigen Fernsehsender TV5 Monde gezeigt, zu dem sich die Dschihadistengruppe Islamischer Staat bekannte. "Wir sehen uns neuartigen Bedrohungen gegenüber mit einer extrem ausgefeilten Nutzung der Digitaltechnik durch Terrororganisationen", verteidigte Innenminister Bernard Cazeneuve in der Zeitung "Libération" seinen Entwurf. Die Geheimdienste können künftig aktiv werden, wenn Gefahr für die Landesverteidigung, die nationale Unabhängigkeit, das Territorium, aber auch die grundlegenden Interessen der Außenpolitik und der Wirtschaft besteht. Weit gefasste Motive also, die das Ausspähen in fast jedem Fall rechtfertigen.

Wanzen in Wohnungen und Abhören von Telefonaten erlaubt

In ihrer Argumentation führt die Regierung die Terrorgefahr an, der Frankreich ausgesetzt ist. Sieben Dschihadisten aus Frankreich hätten in den vergangenen Monaten Selbstmordanschläge im Irak und Syrien verübt, sagte Regierungschef Manuel Valls bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs. Um Terrorverdächtige zu überwachen, räumt das Gesetz den Geheimdiensten weit reichende Befugnisse ein. So dürfen sie beispielsweise Wanzen in Autos oder Wohnungen anbringen und die Computertastatur überwachen. Erlaubt sind auch so genannte IMSI-Catcher, die es den Agenten ermöglichen, Handy-Gespräche mitzuhören.

Ob tatsächlich die Telefone angezapft werden, entscheidet letztlich der Regierungschef ohne vorherigen richterlichen Beschluss. Eine neue Kommission, die aus Abgeordneten, Juristen und einem technischen Experten besteht, wird zwar angehört, hat aber keine Entscheidungsbefugnis. Sie kann allerdings von jedem angerufen werden, der sich ausspioniert fühlt.

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