Mehr Engagement, weniger 08/15

TRIER. Der Übergang zwischen Schule und Berufseinstieg funktioniert nicht so gut wie er sollte. Anhand optimaler Praxis-Beispiele wollen Handwerkskammer und ADD zeigen, wie es flächendeckend besser werden kann. Voraussetzung: Mehr Engagement auf allen Seiten.

 Mal in die Arbeitswelt hinein schnuppern: Das machen auch diese Schülerinnen in einem Traben-Trarbacher Verpackungsunternehmen.Foto: Axel Munsteiner

Mal in die Arbeitswelt hinein schnuppern: Das machen auch diese Schülerinnen in einem Traben-Trarbacher Verpackungsunternehmen.Foto: Axel Munsteiner

Wie wird man zum "Leuchtturm" in Sachen Schule und Arbeitswelt? Rektor Hans-Rüdiger Barbian von der Geschwister-Scholl-Hauptschule in Trier lächelt verlegen, als HWK-Präsident Rudi Müller seiner Lehranstalt das bedeutsame Attribut verpasst. "Von den Besten lernen", so umreißt auch ADD-Chef Josef Peter Mertes den Sinn der Vereinbarung, die Schulaufsicht und Handwerkskammer soeben unterzeichnet haben. Seit vier Jahren beschäftigt sich die Geschwister-Scholl-Schule intensiv mit dem Übergang ihrer Schüler in die Berufslaufbahn. Eine "Lernwerkstatt Berufsorientierung" hat man eingerichtet, Bewerber-Camps organisiert, an landesweiten Projekten teilgenommen, regelmäßig Handwerksmeister in den Unterricht eingeladen. Bereits ab der siebten Klasse, lange vor den vorgeschriebenen Praktikumszeiten, beschäftigen sich die Schüler systematisch mit der Arbeitswelt. Projekttage, "Hineinschnuppern" ins Arbeitsleben, schließlich intensiv begleitete Praktika: "Wir lassen unsere Schüler nicht allein", verspricht Schulleiter Barbian. Langfristige Entwicklungsprognosen, kontinuierliche individuelle Betreuung durch die Lehrer gehören zum Konzept. Und das zahlt sich aus: Von einer verdoppelten Vermittlungsquote berichtet Barbian, ohne zu verschweigen, dass trotzdem längst nicht alle seine Absolventen eine Lehrstelle finden. So viel Engagement verursacht zusätzlichen Aufwand. "Natürlich könnten wir auch 08/15 arbeiten", sagt der Rektor, "aber wir sind uns im Kollegium einig, dass das nicht der Sinn der Sache ist". So sieht es auch der oberste Schulaufseher, ADD-Präsident Mertes. Dabei brauche man "nicht auf dem Nullpunkt anzufangen", es gebe schon "eine ganze Reihe" von Schulen, die dem Problem ähnlich beherzt wie die Geschwister-Scholl Schule zu Leibe rücken. "Aber eben nicht flächendeckend", merkt HWK-Hauptgeschäftsführer Hans-Hermann Kocks an, und genau das wolle man ändern. Die Kammern begreifen sich dabei nicht nur als passiver Partner. Man will das Potenzial der Innungen und der Handwerksbetriebe vor Ort einbringen, um die Zusammenarbeit mit den Schulen zu intensivieren. Der Meister, der im Unterricht von seiner Arbeit erzählt, und der Lehrling, der seinen künftigen Kollegen einen Eindruck von der Ausbildung vermittelt: Sie sollen künftig in den Haupt-, Real- und Regionalschulen zum Alltag gehören. Dabei geht es durchaus um eigennützige Motive. Nur wer gutes Personal gewinnt, hält seine Firma in Schuss. "Abgebrochene Lehren sind verschwendete Zeit, für den Lehrling wie für den Betrieb", sagt Kocks. Leider hätten die Schüler bei Antritt der Lehre "oft keinerlei Vorstellung, was sie eigentlich wollen". Eine Einschätzung, die Beate Stoff vom Verein "Jugend und Arbeit" teilt. Die Jugendlichen seien nicht faul oder desinteressiert, aber ihr Bild von der Ausbildung sei häufig von Illusionen geprägt. Viele warteten auf ihren Traum-Job, bis es zu spät sei. Dagegen hilft nur frühzeitige, umfassende Information und die stärkere Einbindung der Eltern – glaubt HWK-Präsident Müller. Er will auch die Elternvertreter der Schulen in das Bündnis für eine bessere Koordination von Schule und Arbeitswelt einbinden. Viele Eltern seien allerdings nur mühsam für solche Projekte zu gewinnen, relativiert der Praktiker Barbian. Neue Anspracheformen sollen die Akzeptanz erhöhen. Ob die Vereinbarung von ADD und HWK tatsächlich trägt, wird in der Praxis laufend überprüft. Nach dem Startschuss mit einer Initiativ-Veranstaltung im Herbst sollen verbindliche Vereinbarungen zwischen Schulen und Betrieben vor Ort geschlossen werden.

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