Mehr Geld und mehr Soldaten

Zusätzliche deutsche Soldaten für Afghanistan und eine Neuausrichtung des Einsatzes: Die Bundesregierung will stärker als bisher zur Befriedung am Hindukusch beitragen und dadurch ein Abzugsszenario ermöglichen. Ganz klar: Das Ganze kostet mehr Geld.

Berlin. Der Durchbruch während der vierstündigen Beratungen wurde in Angela Merkels Arbeitszimmer erzielt. Dorthin hatte sich die Kanzlerin am späten Montagabend mit Außenminister Guido Westerwelle (FDP), Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sowie Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) zurückgezogen, um noch einmal in kleiner Runde das neue Afghanistan-Konzept der Regierung und die heikle Frage zusätzlicher Soldaten zu debattieren. Eine Einigung erfolgte schnell. Aus Regierungskreisen hieß es gestern, dass es für die am Donnerstag beginnende Afghanistan-Konferenz in London aber noch Verhandlungsspielräume gebe - und zwar beim Thema Finanzen, jedoch nicht bei der Truppenstärke. Hier Fragen und Antworten zu den Beschlüssen:

Welche militärische und polizeiliche Komponente beinhaltet das Konzept?

Bislang umfasst das Afghanistan-Mandat 4500 Soldaten. Die Bundesregierung will 500 weitere an den Hindukusch schicken. Zusätzlich sollen 350 Soldaten eine flexible Reserve sein, deren Einsatz nur in enger Abstimmung mit dem Bundestag erfolgen soll. Zudem wird es eine Umschichtung innerhalb des Kontingents geben, so dass statt 280 Ausbilder künftig 1400 deutsche Soldaten diese Aufgabe übernehmen. Darüber hinaus werden demnächst 200 deutsche Polizisten Afghanen ausbilden, derzeit sind es 123. Zwei Drittel davon stellen die Bundesländer. Die Bundeswehr erhält übrigens zur Aufklärung im Nahbereich 20 bis 30 israelische Drohnen - unklar ist, ob das Bedienpersonal zusätzlich auf das Kontingent angerechnet wird.

Was ist für den zivilen Aufbau vorgesehen?

Mehr Geld. Insgesamt sollen die Mittel des Auswärtigen Amtes und des Entwicklungshilfeministeriums ab 2010 von insgesamt 220 Millionen auf 430 Millionen Euro steigen. Entwicklungshilfeminister Niebel rechnete gestern vor: Allein mit seinem Anteil von 250 Millionen Euro pro Jahr lasse sich im Norden die Zahl der Afghanen mit eigenem Einkommen von 30 auf 75 Prozent erhöhen; statt 900 000 könnten bald zwei Millionen Menschen mit sauberem Wasser und Strom versorgt werden; außerdem würden statt 200 000 Afghanen 500 000 eine Schulausbildung erhalten. Niebel will überdies 700 Kilometer zusätzliche Straßen neu bauen lassen.

Welche neue Komponente ist in dem Konzept vorgesehen?

Wirklich neu ist ein "Reintegrationsprogramm" für junge Taliban-Mitläufer, an dem sich die Bundesregierung mit 50 Millionen Euro beteiligen will. International sind dafür rund 380 Millionen Euro vorgesehen. Dabei gehe es nicht um "ein Zusatzeinkommen für altgediente Taliban", hieß es in Berlin. Vielmehr sollen mit dem Geld dörfliche Strukturen gestärkt werden. Denn meist sind es ganze Dörfer, die sich aufgrund von Perspektivlosigkeit auf die Seite der Taliban schlagen. Wie viele junge Männer damit erreicht werden können und wie das Programm praktisch funktionieren soll, ist offen.

Wird der Einsatz nun insgesamt riskanter?

Ja. Denn die Bundeswehr soll künftig stärker Präsenz in der Fläche zeigen, um auch dort die Bevölkerung zu schützen. "Unser Ziel ist es nicht, mit den Afghanen den Poncho und die Isomatte zu teilen", so Verteidigungsminister Guttenberg.

Wann ist mit einem Rückzug der Bundeswehr zu rechnen?

Schritt für Schritt sollen womöglich schon ab diesem Jahr Distrikte an die Afghanen übergeben werden, wodurch Kräfte frei werden und andernorts eingesetzt werden können. Im Gespräch ist bereits die Region Faisabad. Dort sind 500 Bundeswehrsoldaten stationiert. Nach dem Willen der afghanischen Regierung soll die Übergabe alles in allem 2014 geschafft sein, was aber nicht gleichbedeutend mit einem Ende des deutschen Engagements ist. Einen Stichtag für den Abzug deutscher Truppen will die Regierung nicht nennen, auch um den Taliban nicht in die Hände zu spielen.

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