Mehr Jobcenter-Personal für die Flüchtlingsbetreuung

Berlin · 2800 zusätzliche Mitarbeiter sollen sich in den Jobcentern künftig um die Flüchtlingsbetreuung kümmern. Zu wenig, kritisieren die Grünen. Mit dem Vorhaben bleibe die Bundesregierung weit hinter den Empfehlungen des staatlichen Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zurück.

Berlin. "Die Jobcenter stehen vor enormen Herausforderungen, auch angesichts der Flüchtlingsfrage", sagt Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). Tatsächlich dürften sie 2016 viele zusätzliche Aufgaben bekommen. Die Schätzung der Bundesagentur für Arbeit geht von 216 000 arbeitslosen Flüchtlingen aus, um die sich die Mitarbeiter neben den einheimischen Langzeitarbeitslosen (rund eine Million) kümmern müssen. Die Qualität der Betreuung entscheidet dabei mit, ob die Neuankömmlinge am Ende eher Leistungsempfänger bleiben oder Leistungsträger werden, also mithelfen können, die wachsenden Personalengpässe in vielen deutschen Unternehmen zu lindern.
In einem Modellprojekt der Bundesagentur für Arbeit wurde eine frühzeitige Arbeitsmarktintegration von Asylbewerbern ausführlich getestet. In einer Auswertung durch die am Projekt beteiligten Mitarbeiter hieß es beim hauseigenen Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) schon Ende vorigen Jahres: "Angesichts der Komplexität der Probleme und der hohen Betreuungsintensität beurteilen die Interviewten für die Arbeit mit den Asylbewerbern einen Betreuungsschlüssel von etwa 70 Asylbewerbern pro Vermittlungsfachkraft als passend".
Das Bundesarbeitsministerium zeigt sich davon allerdings unbeeindruckt. Auf Nachfrage teilte das Ressort der arbeitmarktpolitischen Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer, mit: "Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, besondere Betreuungsschlüssel für Asylsuchende und Flüchtlinge festzulegen". Nach dem Sozialgesetzbuch soll im Jobcenter ein Mitarbeiter 150 Arbeitslose betreuen. Für "Kunden" unter 25 Jahren liegt das Verhältnis bei 1:75. Dabei haben die Einrichtungen einen Ermessensspielraum. Setzt man die 2800 zusätzlich geplanten Stellen zu den erwarteten 216 000 Arbeitslosen ins Verhältnis, dann ergäbe das einen Betreuungsschlüssel von 1:154.
Kritik am Schlüssel


Für Pothmer ist das eine völlig unbefriedigende Perspektive. Zumal laut Bundesagentur etwa 110 000 der Flüchtlinge, die 2016 auf die Jobcenter zukommen, zwischen 16 und 24 Jahre alt sind. Für diese Gruppe wären nach Pothmers Berechnungen etwa 770 zusätzliche Stellen nötig, um den betreuungsintensiveren Schlüssel von 1:75 für Jüngere einzuhalten. "Der Herausforderung der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen wird Arbeitsministerin Nahles mit ihren schöngerechneten Annahmen nicht gerecht", kritisiert Pothmer im Gespräch mit unserer Zeitung. Daran werde auch die angekündigte Rechtsvereinfachung kaum etwas ändern. Zum Abbau der Bürokratie in den Jobcentern plant Mlllllinisterin Nahles einige Rechtsvereinfachungen, die am 3. Februar vom Bundeskabinett beschlossen werden sollen. Dazu gehören eine längere Gültigkeitsdauer für Hartz-IV-Bescheide ohne zwischenzeitliche Prüfungen, die Öffnung bestimmter Betriebe für Langzeitarbeitslose und eine längere Förderung für Arbeitslose mit besonders starken Vermittlungshemmnissen.

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