Mehr Soldaten, mehr Aufgaben

BERLIN. (dpa) Die Bundeswehr soll im internationalen Afghanistan-Einsatz deutlich mehr Verantwortung übernehmen. Nach einem Beschluss des noch amtierenden rot-grünen Kabinetts vom Mittwoch in Berlin soll das deutsche Kontingent für die Internationale Schutztruppe Isaf von 2250 auf 3000 Soldaten aufgestockt und das Einsatzgebiet umfassend ausgedehnt werden.

Joschka Fischer hat sich nicht zurückgelehnt und geschwiegen, wie man vielleicht hätte vermuten können nach seinem angekündigten Rückzug von allen Spitzenämtern. "Ich habe vorgetragen", berichtete gestern Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) aus dem Kabinett, "und er hat es bekräftigt". Der Außenminister dankte sogar noch den Kollegen Innenminister Schily und Entwicklungshilfeministerin Wieczorek-Zeul für den Beitrag ihrer Häuser zum Wiederaufbau in Afghanistan. Doch was folgt der großen, rot-grünen Einigkeit in dieser Frage, wenn eine neue Regierung erst einmal im Amt ist? Peter Struck, der gestern offen ließ, ob er noch einmal als Minister zur Verfügung stehen wird, macht sich Sorgen. Viermal wurde das Afghanistan-Mandat bislang fortgeschrieben, gestern beschloss das Kabinett die fünfte Verlängerung für ein Jahr. Kosten: 319 Millionen Euro, der alte Bundestag muss jedoch in einer Sondersitzung am kommenden Mittwoch noch zustimmen. Die Ministerrunde verlängerte zudem die Mission für den Südsudan. Bis Ende des Jahres soll dort das Kontingent von sieben auf 50 Beobachter aufgestockt werden. In Afghanistan ist die Bundeswehr bisher als Teil der Nato-Friedenstruppe Isaf in Kabul und im Norden des Landes im Einsatz, wo die Lage relativ ruhig ist. Insgesamt ist die Nato mit etwa 10 000 Soldaten als Schutztruppe im nördlichen und westlichen Landesteil präsent, die den Wiederaufbau unterstützen soll. Im unruhigeren Süden und Osten dagegen kämpfen rund 20 000 Soldaten unter Führung der USA gegen die extremistischen Taliban. Für diesen separaten Einsatz hat die Bundesregierung das Kommando Spezialkräfte (KSK) abgestellt, wozu sich Struck gestern aber nicht äußern wollte. Die erneute Mandatsverlängerung beinhaltet nun, das Truppenkontingent von bisher 2250 auf bis zu 3000 deutsche Soldaten aufzustocken, um mehr Verantwortung im Norden des Landes zu übernehmen - und die Bundeswehr könnte dann ebenso auf Anfrage anderer Wiederaufbauteams (PRTs) Hilfseinsätze im Westen oder Süden Afghanistans leisten. Mehr Aufgaben und mehr Soldaten ergeben aber zwangsläufig einen höheren Grad der Gefährdung, wie Struck gestern einräumte. Überdies ist dort, wo die Bundeswehr zusätzlich aktiv werden wird, die Lage erst recht "nicht ruhig" und zum Teil "instabil". Der Minister sprach daher erneut von einem "Mandat, das auch Gefahr für Leib und Leben mit sich bringt". Seit Beginn des Bundeswehreinsatzes im Januar 2002 starben am Hindukusch schon 17 deutsche Soldaten bei Anschlägen oder Unglücken. Aber: Am überaus gefährlichen Kampf gegen den Drogenhandel wird sich die Truppe weiterhin nicht beteiligen. "Diese Verantwortung liegt bei den Afghanen." Ein Ende des Einsatzes ist nicht absehbar. "Die Bundeswehr abzuziehen, halte ich für völlig unverantwortlich", warnte Struck besorgt. Wer das wolle, wie die Linkspartei, fördere "die außenpolitische Isolation und öffnet dem Terror Tür und Tor". Allerdings war dies auch eine Botschaft an die FDP, sich zu bewegen. Trotz aller Absagen werden die Liberalen ja nach wie vor als Koalitionspartner von Rot-Grün gehandelt. Die Verlängerung des Mandats hatte die Partei jedoch wegen Zweifel am Sinn beim letzten Mal abgelehnt. Noch ist offen, wie sie sich diesmal entscheiden wird.

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